Nach Tod eines 16-Jährigen in Dortmund Polizei gegen Polizei - wie Ermittlungen neutral bleiben sollen

Dortmund/Recklinghausen · Steht bei Polizisten eine Straftat im Raum, werden die Ermittlungen nicht von den Kollegen in der eigenen Behörde, sondern „aus Neutralitätsgründen“ in einer anderen Dienststelle geführt. In den beiden aktuellen Fällen aus Dortmund und im Kreis Recklinghausen gibt es dabei jedoch eine Besonderheit.

 Steht bei Polizisten eine Straftat im Raum, werden die Ermittlungen nicht von den Kollegen in der eigenen Behörde, sondern „aus Neutralitätsgründen“ in einer anderen Dienststelle geführt (Symbolbild).

Steht bei Polizisten eine Straftat im Raum, werden die Ermittlungen nicht von den Kollegen in der eigenen Behörde, sondern „aus Neutralitätsgründen“ in einer anderen Dienststelle geführt (Symbolbild).

Foto: dpa/Patrick Pleul

SNach den tödlichen Maschinenpistolen-Schüssen eines Beamten auf einen 16-Jährigen in Dortmund gibt es in Nordrhein-Westfalen aber eine bemerkenswerte Situation: Gleichzeitig ermitteln zwei Polizeibehörden in Fällen, in denen die jeweils andere Behörde involviert war - also quasi „gegeneinander“. Das NRW-Innenministerium hält eine neutrale Ermittlungsführung dennoch für sichergestellt.

Im Fall des am Montag in Dortmund bei einem Polizeieinsatz getöteten, mit einem Messer bewaffneten Jugendlichen ist die Polizei Recklinghausen zuständig. Der 29-Jährige, der sechsmal mit der Maschinenpistole auf den Jugendlichen schoss, wird als Beschuldigter geführt. Die Dortmunder Polizei ermittelt wiederum wegen eines Falles in der Zuständigkeit der Recklinghäuser: Dort war am Sonntag ein 39-Jähriger gestorben, nachdem er in einer Wohnung randaliert und massiv Widerstand geleistet haben soll und von der Polizei fixiert wurde. Es gibt aber auch Anhaltspunkte, dass er unter Drogen stand.

Das NRW-Innenministerium erklärte auf Nachfrage, Straftaten gegen im Landesdienst Beschäftigte würden in bestimmten Polizeipräsidien, den Kriminalhauptstellen, verfolgt. Arbeitet die beschuldigte Person aber selbst dort, ist „aus Neutralitätsgründen“ eine andere Kriminalhauptstelle zuständig. Hier gibt es feste Kooperationen: Recklinghausen ist immer für Dortmund zuständig und umgekehrt, das gleiche gilt für Köln und Bonn oder Duisburg und Düsseldorf.

Auf die Nachfrage, ob die Neutralität bei einer andauernden gegenseitigen Zuständigkeit nicht gefährdet sei, betonte ein Sprecher des Innenministeriums, die Ermittlungsverfahren würden ausschließlich unter Sachleitung der zuständigen und „zur Objektivität, Neutralität und Unparteilichkeit verpflichteten Staatsanwaltschaft“ geführt. Die Regelung garantiere zudem, dass Polizeibehörden in keinem Fall gegen Beschäftigte der eigenen Behörde ermittelten. „In der Gesamtschau ist eine neutrale Ermittlungsführung insoweit in allen Fällen sichergestellt“, hieß es.

Das sehen nicht alle so: „Das ist nicht „neutral“ und schon gar nicht vertrauensfördernd“, schrieb etwa der Twitter-Nutzer Aladin El-Mafaalani. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) forderte die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen. Rafael Behr von der Akademie der Polizei Hamburg sagte dem WDR: „Wir fordern schon lange einen Polizeibeauftragten, der nicht im Hierarchiesystem der Polizei verortet ist, aber Ermittlungskompetenz hat.“ Der Kriminologe Thomas Feltes plädierte dafür, für polizeiinterne Ermittlungen nach Einsätzen wie diesen eine eigenen Stelle etwa beim Landeskriminalamt zu schaffen.

(bsch/ dpa)
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