Opfer-Staatsanwälte und keine Verjährung Die Lehren aus der Loveparade

Düsseldorf · 21 Menschen starben 2010 bei dem Techno-Event in Duisburg. Wer dafür verantwortlich ist, bleibt unklar. Das Verfahren wurde 2020 eingestellt. Nun hat eine Expertenkommission Vorschläge gemacht, wie solche Katastrophen besser aufgeklärt werden können.

 Tausende Raver drängen sich am 24. Juli 2010 auf der Duisburger Loveparade in und vor dem Tunnel, in dem sich eine Massenpanik ereignet hat.

Tausende Raver drängen sich am 24. Juli 2010 auf der Duisburger Loveparade in und vor dem Tunnel, in dem sich eine Massenpanik ereignet hat.

Foto: dpa/Erik Wiffers

Eine Expertenkommission fordert, die Verjährung in komplexen Unglücksfällen künftig auszusetzen, sobald die Hauptverhandlung begonnen hat. Das teilte ihr Vorsitzender Clemens Lückemann am Montag im Düsseldorfer Oberlandesgericht  mit. Der Jurist hatte zwei Jahre lang mit einem Rechtsexperten-Team die Loveparade-Katastrophe 2010 in Duisburg aufgearbeitet und 20 Vorschläge vorgelegt, mit denen solche Fälle künftig leichter aufgeklärt werden können. Den Abschlussbericht stellte er gemeinsam mit NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) vor.

21 Menschen waren bei der Loveparade am 24. Juli 2010 in Duisburg ums Leben gekommen, rund 650 weitere wurden verletzt, zum Teil schwer. Doch wer dafür verantwortlich ist, bleibt bis heute ungeklärt. Das Verfahren wurde 2020 eingestellt – ohne Urteilsspruch und unter anderem mit der Begründung, dass ein Verfahrensabschluss bis zur Verjährungsfrist am 27. Juli 2020 ohnehin nicht möglich gewesen wäre.

Damit so etwas nicht noch einmal geschieht, beauftragte der NRW-Landtag die Landesregierung 2020 damit, Lehren aus der Loveparade-Katastrophe zu ziehen. NRW-Justizminister Biesenbach berief daraufhin die Expertenkommission ein. Sie wertete mit der Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden anhand eines Leitfadens mit 100 Fragen 45 Interviews und Stellungnahmen von beteiligten Akteuren aus.

Aus ihren Erkenntnissen erstellten die Rechtsexperten einen 20-Punkte-Plan. Darin schlagen sie auch vor, eine Bund-Länder-Einrichtung zu etablieren, die das Unglück über das Strafverfahren hinaus untersucht. Sie solle beispielsweise Sachverständige für verschiedene Arten von Unglücken im Vorhinein festlegen. Im Fall der Loveparade-Katastrophe war es zunächst nicht möglich gewesen, einen Experten zu finden. Und auch für Opfer-Staatsanwälte sprach sich die Kommission aus. Sie fungierten als Ansprechpartner für die Geschädigten, könnten ihnen Auskünfte erteilen und umgekehrt auch ihre Hinweise an das Ermittlungsteam weitergeben. Außerdem solle es einen Mindestbetrag für Schadenersatz geben. „Will das Opfer mehr, muss es den Zivilrechtsweg bestreiten“, sagte Lückemann.

Biesenbach will die Vorschläge der Expertenkommission bei der nächsten Justizministerkonferenz im Juni vorstellen. „Schließlich ist die Loveparade-Katastrophe in Duisburg kein Einzelfall“, sagte er. Viele andere Prozesse wie der um den Einsturz der Eishalle in Bad Reichenhall 2006 wurden ebenfalls nie zufriedenstellend abgeschlossen.

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