Kalkar Kalkar will Strom aus dem Rhein

Kalkar · Ein neuartiges Flusskraftwerk soll Energie unter anderem für den Freizeitpark "Wunderland" in Kalkar liefern. Der schwimmende Generator nutzt die starke Strömung des Rheins und gewinnt den Strom über ein Schaufelrad. In der Verwaltung der Stadt steht man dem Projekt positiv gegenüber.

Am ehemaligen Atomkernkraftwerk in Kalkar am Rhein soll ein Flusskraftwerk errichtet werden.

Am ehemaligen Atomkernkraftwerk in Kalkar am Rhein soll ein Flusskraftwerk errichtet werden.

Foto: Andreas Endermann

Han Groot Obbink ist es gewohnt, dass sein Arbeitsplatz Schlagzeilen macht. Der Niederländer ist Geschäftsführer des Freizeitparkes "Wunderland" in Kalkar — ehemals das Atomkraftwerk, das zu Deutschlands größten Investitionsruinen wurde. 1991 kam das Aus für den Reaktor ("Schneller Brüter"), dessen Baukosten etwa sieben Milliarden Mark betrugen. 1995 kaufte der niederländische Unternehmer Hennie van der Most die Anlage für einen symbolischen Preis, schlachtete sie aus und verwandelte sie in einen Vergnügungspark. In Zukunft will das "Wunderland" — ausgerechnet — auf Bioenergie setzen. Im Rhein soll dort das erste Flusskraftwerk in NRW Strom erzeugen.

Pilotprojekt

Die Idee dazu hatte Jochem Reinkens. Der Lehrer und Fraktionsvorsitzende der SPD in Kalkar wurde bei einer Reise nach Sachsen-Anhalt auf ein Pilotprojekt auf der Elbe in Magdeburg aufmerksam und kontaktierte den dortigen Betreiber, die Energie Handel GmbH (EHG) aus Hannover. "Ich hatte erfahren, dass das Wunderland seine Energiekosten senken möchte", berichtet Reinkens. Bei den Betreibern des Freizeitparks stieß er auf offene Ohren. "Wir geben im Jahr 600 000 bis 700 000 Euro für Energie aus", sagt Obbink. Steigende Strompreise und Fukushima hätten ihn im Frühjahr 2011 zum Umdenken gebracht. "Wir planen einen kompletten Bioenergiepark mit Windkraft-, Photovoltaik- und Biogasanlagen", so der Geschäftsführer, der derzeit 24 von insgesamt 54 Hektar Betriebsfläche bewirtschaftet. Ein Flusskraftwerk, das verlässlich eine Jahresleistung von einer Million Kilowattstunden erbringen könnte, wäre also eine schöne Ergänzung.

Darauf hofft auch Heinrich Schmidt, Geschäftsführer des Hannoveraner Strom- und Gasversorgers EHG. Seit zwei Jahren entwickelt das Unternehmen ein Flusskraftwerk. Das Prinzip ist einfach: Das fließende Wasser bewegt ein Schaufelrad zwischen zwei Pontons, dabei wird ein Generator aktiviert, der Strom erzeugt. Die Probleme liegen im Detail. "Jeder Standort bedarf einer Analyse. Es muss zum Beispiel geklärt werden, ob das Strömungstempo ausreicht, die Schifffahrt beeinträchtigt wird und die Einspeisung des Stroms gewährleistet ist", sagt Schmidt. Stimmen alle Parameter, wird das Kraftwerk auf den jeweiligen Standort zugeschnitten. Eine einzelne Anlage kann bis zu 300 Haushalte pro Jahr mit Strom versorgen.

Ende 2012 serienreif

Das EHG-Projekt ist Teil des vom Wirtschaftsministerium mitfinanzierten Netzwerks Fluss-Strom, zu dem auch das renommierte Fraunhofer-Institut gehört. Insgesamt 16 Firmen und vier Forschungsinstitute loten Möglichkeiten aus, aus fließenden Gewässern Energie zu gewinnen — per Unterwasser-Turbine oder eben per Schaufelrad. "Ende 2012 sind die ersten Systeme serienreif", sagt Netzwerk-Manager Mario Spiewack. Die Nachfrage aber ist schon jetzt riesig. Alleine Schmidt berichtet für seine Variante von 150 bis 200 Interessenten aus aller Welt. Gerade in dünn besiedelten Gegenden sei damit eine Stromversorgung zu gewährleisten. Schmidt: "Im Gegensatz zu Wind- und Sonnenenergie ist der Strom aus dem Fluss jederzeit verfügbar — er fließt immer."

Interessant für eine Kommune wie für einen Betreiber wird es dann, wenn mehrere Anlagen als Block hintereinander geschaltet werden. Dafür müssen nicht nur die Gegebenheiten vor Ort stimmen. "Auch die Technologie muss generell gewollt sein", sagt Mario Spiewack, der vor allem am Rhein bereits mit verschiedenen Projektpartnern im Gespräch ist.

Keine Proteste

Die Kosten für das EHG-Flusskraftwerk liegen laut Schmidt bei rund 200 000 Euro, bei einer Serienproduktion wäre es lediglich die Hälfte. SPD-Mann Jochem Reinkens sieht private Betriebe wie das Wunderland und öffentliche Versorgungsunternehmen wie die Stadtwerke als potenzielle Investoren. Sie werden heute im Wunderland über das Projekt informiert. Proteste und Demonstrationen wie in den 70er und 80er Jahren gibt es nicht. Sowohl die Politik als auch die Verwaltung der Stadt Kalkar begrüßen das Projekt. Kalkars Bürgermeister Gerhard Fonck (CDU): "Falls es planerisch und technisch umsetzbar ist, kann ich mir durchaus ein Flusskraftwerk am Wunderland Kalkar vorstellen — zumal der Standort wie gemacht dafür ist."

(RP/jul)
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