Solingen Der Schmerz sitzt immer noch sehr tief

Solingen · Mit über 50 Veranstaltungen will die Stadt zum 20. Jahrestag des Brandanschlages auf das Haus der Familie Genç vor allen ein Zeichen setzen für Toleranz und Vielfalt. Mevlüde Genç findet bei allem Schmerz versöhnliche Worte.

Seit dem 29. Mai 1993 wird Solingen in einem Atemzug genannt mit Rostock, Mölln und Hoyerswerda, Städten, in denen feige ausländerfeindliche Anschläge Menschenleben kosteten. Fünf türkische Frauen starben allein in Solingen. Das Datum, so sagt Oberbürgermeister Norbert Feith, hat sich tief im Bewusstsein der Solinger verankert: "Der Familie Genç ist unermessliches Leid widerfahren, und wir wissen, dass wir den Makel dieses feigen Brandanschlages nicht abstreifen können,", sagte der Oberbürgermeister gestern bei der Präsentation des Programms, mit dem die Stadt jenen Tag begehen will, an dem sich der Brandanschlag zum 20. Mal jährt.

Längst nicht nur an einem Tag will Solingen gedenken, ein ganzes Gedenkjahr wurde präsentiert, dessen erste Veranstaltungen schon nächste Woche sind. Denn neben der Erinnerung will Solingen ein Zeichen setzen und zeigen, dass die Stadt geprägt ist von Toleranz und Vielfalt. Über 50 Veranstaltungen stehen jetzt schon fest, es werden weitere hinzukommen, die Stadt wird ihren Veranstaltungskalender im Internet ständig aktualisieren.

"Lasst uns Freunde sein", hatte Mevlüde Genç schon gleich nach dem Anschlag immer wieder betont. Die heute 70-Jährige kam im Alter von 28 Jahren nach Solingen, sie möchte hier bleiben, wie sie immer wieder sagt, obwohl sie bei dem Brandanschlag auf ihr Haus in der Unteren Wernerstraße zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verlor. Auch gestern fand Mevlüde Genç versöhnliche Worte, bedankte sich dafür, "nicht alleine gelassen worden zu sein"; sie sagte aber auch, dass der Verlust ihrer Angehörigen noch immer sehr tief sitze. "Doch wir sind alle Menschen und müssen zusammenhalten", bemerkte die 70-Jährige bei der Programmvorstellung, die reges Interesse auch bei überörtlichen Medien fand. "Unseren Kinder müssen wir Vorbild sein, damit sich so schlimme Dinge nicht wiederholen", sagte Mevlüde Genç.

Im Programm zum Gedenken sind alle Generationen vertreten, junge Menschen sind aktiv beteiligt, Menschen, die vor 20 Jahren noch nicht geboren oder noch Kinder waren. Ein Umstand, den die Organisatoren besonders hervorheben.

Dennoch, auch offizielle Veranstaltungen wird es geben, zu denen sich Vertreter von Bundes- und Landesregierung ebenso angesagt haben wie Abgesandte der türkischen Regierung. "Der 29. Mai wird ein schwerer Tag, da ist es gut, zusammenzustehen", sagte Ausländerbeauftragte Anne Wehkamp.

Auftakt der Veranstaltungen bildet am 21. Januar die Freischaltung eines Web-Blogs "zuhause.solingen.de", ein Schreib- und Bildwettbewerb für junge Menschen zum Thema alte und neue Heimat. Im Laufe des Jahres gibt es Vorträge, Lesungen, Theaterprojekte, Kochkurse, Ausstellungen, eine Filmreihe und vieles mehr. Ende April gibt es einen Tag des Dialogs. Im Zentrum stehen Veranstaltungen zum Jahrestag am 28. und 29. Mai. Eine offizielle Trauerfeier ist am 29. Mai um 15 Uhr im Konzertsaal.

(RP/rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort