Nach Stamp-Rückzug Münsterländer Höne will FDP-Chef in NRW werden

Düsseldorf · Der Coesfelder FDP-Politiker will zusätzlich zum Fraktionsvorsitz auch an die Spitze der Partei rücken. In atemberaubenden Tempo katapultiert sich der 35-Jährige ins Zentrum der NRW-Liberalen. Doch wer ist der womöglich nächste Parteichef?

Henning Höne, Fraktionschef der FDP im Landtag, informiert Journalisten über seine Kandidatur.

Henning Höne, Fraktionschef der FDP im Landtag, informiert Journalisten über seine Kandidatur.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

In einem Coworking-Space im Düsseldorfer Medienhafen sitzt Henning Höne an einem Tisch vor Journalisten. Nicht zufällig heißt die Firma,  bei der sich der 35-Jährige als Kandidat für den Landesvorsitz präsentiert, Startplatz Düsseldorf. Am Vorabend hatte er schon die Sitzung des Landesvorstands als Startplatz für die eigenen Ambitionen genutzt und seine Kandidatur bekannt gegeben. Gegenkandidaten sind noch nicht in Sicht.

In bemerkenswerter Geschwindigkeit hat der Betriebswert Schlüsselpositionen bei der NRW-FDP besetzt. Nach der verloren gegangenen Wahl hatte der damalige FDP-Fraktionsvorsitzende Christof Rasche noch geglaubt, er könne weiterhin die Geschicke der arg dezimierten Abgeordnetenschar lenken. Nur zwei Wochen nach der Mitteilung, Rasche werde weitermachen, trat Höne vor Journalisten und verkündete, dass Rasche künftig Vize-Landtagspräsident werde und er selbst fortan den Fraktionsvorsitz übernehme.Auch wenn alle Beteiligten eisern behaupten, dieser Vorgang sei ohne Blessuren abgegangen, so gannz wurde man den Eindruck nicht los, dass der durchaus machtbewusste Höne den Wechsel durchgedrückt hatte.

So fügt sich auch, dass Höne nur einen Tag, nachdem Landeschef Joachim Stamp angekündigt hatte, im Frühjahr nicht erneut als Landesvorsitzender kandidieren zu wollen, im Coworking-Space Fakten schafft. Progressiv solle es unter ihm zugehen, sagt er. „Ich möchte einen Beitrag zum Wiedererstarken leisten und bin bereit, diese Verantwortung zu übernehmen.“ Zuvor hatte Höne stets betont, das Amt des Fraktionsvorsitzenden sei ausreichend. Es habe die Chance gegeben, in diesem Amt anzukommen und sich in einer neuen Rolle zurechtzufinden, beschreibt der Kandidat seine neue Haltung.

Unter ihrem neuen Fraktionschef hat sich die FDP erstaunlich schnell in der Oppositionsrolle zurechtgefunden und setzt der neuen Regierung mit eigenen Gesetzesinitiativen und einem Anfragen-Hagel mächtig zu. Höne beherrscht das selbst auch. Angesprochen auf ein Interview Hendrik Wüsts, in dem er die Ampel als Chaos-Koalition bezeichnet hatte, returniert er so: „Der Fingerzeig des Ministerpräsidenten in Richtung Berlin ist das einzige, was hängen geblieben ist von der Arbeit des Ministerpräsidenten in der Sommerpause.“ Es habe bislang keine Landesregierung gegeben, die so laut geschwiegen habe nach ihrem Amtsantritt.

Höne gibt seit 18 Jahren politisch gehörig Gas. Mit 21 Jahren wurde er 2008 in Coesfeld jüngster FDP-Kreisverbandsvorsitzende in NRW. 2012 zog er mit 25 als jüngster Abgeordneter in den Landtag ein.  „Ich habe nie angestrebt, irgendwo hinzukommen, um da der Jüngste zu sein“, sagte Höne jüngst unserer Redaktion. Aber: „Ich habe immer gerne Verantwortung übernommen. Und wenn es irgendwo eine Lücke gab, dann hab‘ ich die gerne genutzt.“

Höne ist in Coesfeld aufgewachsen, lebt dort bis heute mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn. „Das ist Zuhause“, fasst er sein Heimatgefühl in Worte: „Wie lange brauchst du in Coesfeld, um mit dem Fahrrad irgendwohin zu kommen? Egal wohin, es sind immer zehn Minuten.“ Und mit eigenem Kind schätze er die Nähe zur ansässigen Familie noch mal mehr.

Nach seinem Abitur hat er eine Ausbildung zum Industriekaufmann und ein duales Studium der Betriebswirtschaftslehre absolviert. Zugleich war seine Laufbahn in der Partei ebenso zügig wie geradlinig: Seit 2004 machte er zunächst bei den Jungen Liberalen mit, 2005 trat er in die Partei ein, 2006 saß er im Landesvorstand der Jungen Liberalen, von 2010 bis 2013 war er deren Landesvorsitzender.

Wie er seine Position mit dem Familienleben unter einen Hut bekommt, ist für den 35-Jährigen durchaus ein Thema mit politischer Dimension. „Ich würde den Job nicht machen, wenn ich davon überzeugt wäre, dass ich mein Kind dann nur noch am Wochenende sehe“, sagt er.

Diese Haltung soll auch unter einem Landesvorsitzenden Höne Einzug in die liberale Lebenswelt haben. Parteisitzungen bis spät in die Nacht mitten in der Woche hielten viele Menschen davon ab, sich zu engagieren. Die Partei müsse stärker auf Digitalisierung setzen. Der Newsletter des Vorsitzenden dürfe nicht das Ende der Kommunikation sein.

Bei der inhaltlichen Neuausrichtung der abgestraften FDP will er nichts von oben verordnen. Er habe dem Vorstand kein seitenlanges, fertiges Programm vorgelegt, sondern wolle lieber mit der Basis über langfristige Ziele diskutieren. „Politik beschäftigt sich zu 80 Prozent der Zeit mit 20 Prozent der Probleme“, sagt Höne und nennt als Beispiel die Übergewinnsteuer. „Ich höre von sehr wenigen Unternehmen, dass sie sich Sorgen darüber machen, eine Übergewinnsteuer zu zahlen, sondern eher die Sorge: ,Kann ich noch produzieren, weil ich die Energiepreise noch zahlen kann?’“

Der Reformprozess in der Landespartei sei angestoßen, sagt Höne. Derzeit würden diverse Arbeitsgruppen dazu tagen, ein erstes Zwischenergebnis soll im September beim Landeshauptausschuss, also einem kleinen Parteitag, debattiert werden. Doch auch nach dem großen Parteitag im Frühjahr sei der Prozess noch nicht abgeschlossen. „Wir sollten nicht alles über Bord werfen, aber man muss dazu bereit sein, immer besser zu werden“, sagt er.

Was denn eine Überschrift für einen Landesvorsitzenden Höne sei, will ein Journalist wissen. „Mich treibt eine Politik um, die die Menschen befähigt, selbstbestimmt durchs Leben zu gehen. Nicht mit Almosen von oben herab, sondern mit Hilfe zur Selbsthilfe. Eine Gesellschaft ist dann am glücklichsten, wenn jeder für sich das meiste herausholen kann.“ Politisch, so sieht es aus, ist Höne selbst auf dem besten Weg, dieses Ziel zu erreichen.

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