Zum 150. Geburtstag des Künstlers Mondrian macht gute Laune

New York/Düsseldorf · Bunte Rechtecke in schwarzem Raster haben dem Maler Piet Mondrian Weltruhm eingebracht. Designer variieren seine Motive bis heute.

 Auch ein Pavillon der Gesamtschule Krefeld-Uerdingen ist von Piet Mondrian inspiriert.

Auch ein Pavillon der Gesamtschule Krefeld-Uerdingen ist von Piet Mondrian inspiriert.

Foto: Stadt Krefeld

Abstrakte Bilder gelten vielen noch immer als Kunst mit sieben Siegeln. Das ist etwas für Experten, heißt es dann, ein breites Publikum lasse sich damit kaum erreichen.

Nicht nur Kandinsky hat das Vorurteil als Wegbereiter der ungegenständlichen Malerei widerlegt. Auch der am 7. März vor 150 Jahren im niederländischen Amersfoort geborene Piet Mondrian hat der Welt vorgeführt, wie man selbst mit verstandesmäßig schwer Zugänglichem die Menschen begeistert – und sei es durch den Schatz an Motiven, den er nachgeborenen Designern zum Verfremden hinterließ.

Museumsshops und das Internet offenbaren, welche Blüten der Mondrian-Kult inzwischen getrieben hat, nicht durchweg im Sinne des 1944 in New York gestorbenen Meisters, aber doch einig mit ihm in der Absicht, den Augen etwas Angenehmes zu kredenzen.

Die fantasievollen Nachahmer schöpfen mehrheitlich aus Mondrians markanten Kompositionen der 1920er- und 1930er-Jahre, weniger aus seiner komplizierteren New Yorker Periode seit 1940. Rechtecke in den Grundfarben Rot, Blau und Gelb sowie der „Nicht-Farbe“ Weiß sprechen die Augen trotz strenger schwarzer Rasterlinien freundlich an. Das macht Laune.

Die künstlerischen Mondrian-Vermarkter von heute setzen in ein solches Ambiente auch schon mal eine stilisierte Katze, frisieren Kissen, T-Shirts, Kleider, Bettdecken und Notizblocks ebenso auf Mondrian wie neuerdings Corona-Masken. Lebte der Ideengeber noch, würde er vielleicht freundlich darüber hinweglächeln. Die Tiefe, in der er selbst gegraben hat, ist den gefälligen Dekoren der Nachfolger jedenfalls nicht anzumerken.

In dieser Tiefe finden sich Gedanken, die Wissenschaftler nur mehr mit spitzen Fingern anfassen: Okkultismus, Spiritismus, Esoterik, die Theosophie der Helena Blavatsky, die sich im 19. Jahrhundert mit Geheimlehren, Plagiaten und einem Schuss Rassismus einen Namen machte. Nicht allein Mondrian begeisterte sich von seinen frühen Jahren bis ans Lebensende dafür, auch Hermann Hesse, James Joyce, Paul Gauguin, Wassili Kandinsky und Alexander Skrjabin folgten Blavatskys Spuren. Sie führen bis zu den Anhängern der New-Age-Bewegung in den späten 70er-, frühen 80er-Jahren.

Spiritismus war die eine Seite Mondrians. Die andere zeigt sich darin, dass er die Künstlergruppe De Stijl mitgründete und dem Bauhaus nahestand. Die Quellen Theosophie und Geometrie mündeten in Mondrians Lehre, dass hinter den Erscheinungen der uns umgebenden Welt eine wahrere Wirklichkeitssphäre liege, die durch Übung erkennbar sei. Sie sei ein Vorbild für ein gutes Leben, eine ordentlich gestaltete Welt im Gegensatz zur als chaotisch empfundenen Natur. Die Farbe Grün war bei Mondrian seit 1920 tabu, Raumwirkung vermied er gleichfalls, um der Natur zu entgehen.

Dabei hatte er mit Landschaftsbildern begonnen. Nach Studium und erstem Atelier in Amsterdam zog es ihn nach Paris. Von den damaligen Kubisten Picasso, Braque und Léger schaute er sich manches ab. Vor dem Zweiten Weltkrieg floh er 1938 nach London, zwei Jahre später wiederum vor Bomben von dort in die USA. In New York entstanden Bilder, die stark vom Rhythmus leben. Werner Schmalenbach (1920–2010), Gründungsdirektor der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW, dem das Museum den Erwerb von vier Mondrians verdankt, weist in seinem Bestandskatalog von 1986 auf die neue Arbeitsmethode hin, die sich Mondrian aneignete und von der das Gemälde „New York City II“ von 1942/44 zeugt. Mondrian fertigte jetzt farbige Papierstreifen von 1,5 Zentimeter Breite an, die sich auf der Leinwand hin- und herschieben und, wenn die richtige Position gefunden war, aufkleben ließen. Die Klebestreifen dienten als Skizze, es folgte die Ausmalung mit dem Pinsel. „New York City II“ ist dagegen ein „Gemälde, das nie gemalt wurde“, denn es besteht allein aus unter- und übereinander verlaufenden Klebestreifen: New York swingt.

Für Mondrian ging diese Zeit bald zu Ende. 1944 erkrankte er an einer Lungenentzündung, 71-jährig starb er. Ein Jahr später richtete ihm das Museum of Modern Art die erste postume Retrospektive aus. Er hatte es in den Olymp der Gegenwartskunst geschafft, auf der Strecke geblieben war sein Privatleben. Als er 1911 im Begriff war, die Amsterdamerin Greta Heijbroek zu heiraten, entschied er sich nach wenigen Monaten dagegen und lebte fortan allein mit seiner Kunst. Die Verlassene schien darüber nicht traurig zu sein, denn sie bekannte später, Mondrians Künstlertum sei ihr fremd gewesen.

So hinterließ der Meister keine Kinder, aber doch eine Fülle von Anregungen auf Architektur (Bauhaus), Mode und Konsum (Yves Saint Laurent und L‘Oréal), auf andere Künstler wie Oskar Schlemmer, Frank Stella und den Düsseldorfer Imi Knoebel und sogar auf die Computerei: die Programmiersprache Piet und die Software zur Verbildlichung statistischer Daten mit dem Namen Mondrian. Ein „Mondrimat“ schließlich lädt ein zum spielerischen Gestalten von Bildern, die sich auf dem Computer nach Mondrians Stil erzeugen lassen.

Um derlei Dinge war es Mondrian nicht gegangen. Er sah seine Kunst als religiöses Projekt, um die Gesellschaft zu verwandeln, glaubte, dass sie die alten Formen von Staat, Religion und Familie zerstören und neue, einfachere und bessere erschaffen werde, wie der italienische Religionssoziologe Massimo Introvigne befand. Der Kunstmarkt bewertete derlei hehre Vorstellungen auf seine nüchterne Weise. Vor sieben Jahren versteigerte Christie‘s in New York Mondrians „Composition No. III, with Red, Blue, Yellow, and Black“ von 1929 für umgerechnet 44,8 Millionen Euro.

Der Satiriker Robert Gernhardt hatte wohl recht, als er 1999 behauptete, kein Künstler des 20. Jahrhunderts sei bei solch durchschlagendem Erfolg so exemplarisch gescheitert wie „dieser Holländer“, da seine Bildsprache sich allgegenwärtig in der Populärkultur wiederfinde.

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