Neue Internetseite zur Mundart „Dat Portal“ - Hüter des rheinischen Sprachschatzes

Köln · Der Landschaftsverband Rheinland hat ein neues Internetportal online gestellt, das sich dem regionalen Dialekt widmet. Eine aufschlussreiche Entdeckungsreise, bei der Sprachkarten und Hörbeispiele zur Orientierung beitragen.

 Es „pladdert“, „trötscht“, „klatert“, „klatscht“ und „platscht“, es „plästert“ und „schifft“, „schöddet“ und „jeeßt“ oder besonders treffend: „Et es am sauen“. Auf Hochdeutsch heißt das : Es regnet.

Es „pladdert“, „trötscht“, „klatert“, „klatscht“ und „platscht“, es „plästert“ und „schifft“, „schöddet“ und „jeeßt“ oder besonders treffend: „Et es am sauen“. Auf Hochdeutsch heißt das : Es regnet.

Foto: dpa/Fabian Strauch

Der Blick nach draußen folgt aktuell meist fallenden Regentropfen. Es gießt zuweilen in Strömen. Für den Rheinländer ist das kein ungewöhnlicher Vorgang, aber einer, der sich in ungewöhnlich vielen Worten ausdrücken lässt: Es „pladdert“, „trötscht“, „klatert“, „klatscht“ und „platscht“, es „plästert“ und „schifft“, „schöddet“ und „jeeßt“ oder besonders treffend: „Et es am sauen“. Und je nachdem, wo man sich gerade befindet, kann das Wetter „usselig“, „oselig“ oder „üsselig“ sein. Willkommen in der bunten Sprachregion von Emmerich bis Bonn, von Mönchengladbach bis zum Oberbergischen Kreis.

Wenn es den hiesigen Dialekt nicht gäbe, müsste er wohl erfunden werden. Dabei ist er noch immer in großer, wenngleich im Alltag nicht mehr in seiner ganzen Vielfalt vorhanden. „Dat Portal – so spricht das Rheinland“ will diesen Sprachschatz hüten, gerade weil er nicht im Duden steht. Als neues Angebot des Landschaftsverbandes Rheinland ist die Internetseite dat-portal.lvr.de am Montag Abend, zum Internationalen Tag der Muttersprache, an den Start gegangen. Es richtet sich nicht in erster Linie an Sprachwissenschaftler, sondern an alle, die sich für Mundart interessieren.

Jeder Jeck ist anders, heißt es rheinauf, rheinab, und jeder spricht ein wenig anders: Westmünsterländisch, Südwestfälisch, Kleverländisch, Südniederfränkisch oder Ripuarisch. Nur im Rheinland kann man zum Beispiel die Präposition „ab" auch als Adjektiv verwenden. Das geht so: „Mit appe Beine kannze schlecht laufen.“ Nur im Rheinland sagt man „iggelich“, wenn jemand nervös, gereizt, ungeduldig oder aufgeregt ist. Oder „Kabache“ zu einem kleinen, heruntergekommenen Haus. Ortsfremde staunen über die Bezeichnung „Räbbelchen“ für ein altes Auto, „ödderich“ für ungepflegt, oder mit „Nasewasser“ gemacht – wenn etwas nachlässig ausgeführt wurde.

Zwei Jahre habe es gedauert, um anhand von Artikeln, Begriffs- und Namenssammlungen, Sprachkarten oder Tonaufnahmen einen umfassenden digitalen Einblick nicht nur in die rheinische Sprachvielfalt sondern auch in die Historie zu ermöglichen, berichtet Projektleiterin Charlotte Rein. 4500 Ausdrücke umfasst allein das Wörterbuch, das der Sprachforscher Peter Honnen zusammengetragen hat. Für die zahlreichen Hörbeispiele seien zum Teil alte Tonaufnahmen von Dialektsprecherinnen und -sprechern verwendet worden, berichtet Sarah Puckert, die vor allem auf die Verbreitung dialektaler Wörter im Rheinland spezialisiert ist.

Bei Gang durch Bonn etwa schlendert man irgendwann vielleicht durch die Vivatsgasse im Zentrum und denkt an die römischen Ursprünge der Stadt – sie lebe hoch. Doch was sich auf dem Straßenschild so lateinisch liest, hat echt rheinische Wurzeln: ein Vieh-Pfad führte einst vor den Stadtmauern entlang, doch weil dem Rheinländer die Lautfolge „pf“ nur schwer über die Lippen kommt, wurde daraus ein simples „f“ bzw. „v“.

Relativ leicht lassen sich die zahleichen ähnlichen Endungen der rheinischen Ortsnamen wie -rath (roden), -broich (Bruch/Entwässerungsgraben) oder -dyck (Deich) mit der Urbarmachung der rheinischen Kulturlandschaft erklären, doch wie kamen das Flüsschen Düssel und das mit ihr verbundene Dorf zu ihrem Namen? Unter den kursierenden Namenserklärungen halten die Sprachwissenschaftler von „Dat Portal“ den germanischen Wortstamm „thus“ für den wahrscheinlichsten Ursprung. Er bedeutet so viel wie „anschwellen, lärmen oder brausen“ und begegnet uns heute noch in dem Wort „tosen“. Düssel würde damit etwa „rauschendes Wasser“ bedeuten.

„Dat Portal“ belässt es nicht bei der Auflistung von Idiomen und deren Verbreitung, sondern taucht auch in die Sprachgeschichte der Region ein. Nach der sogenannten Franzosenzeit, die mit der Niederlage Napoleons 1814 endete, wurden das Rheinland und Westfalen im Zuge der Gebietsneuordnungen des Wiener Kongresses 1815 preußische Provinzen und blieben es bis 1945. Das hatte weitreichende Folgen für das ortsübliche Plattdeutsch, das nun immer stärker unter den Einfluss des Hochdeutschen geriet. Denn ab 1825 war der Schulbesuch verpflichtend, die Kinder lernten nun die hochdeutsche Schriftsprache.  

Konnte 1816 noch nicht einmal die Hälfte der Menschen im Rheinland lesen und schreiben, so waren es 1871 schon 91 Prozent. Die sprachliche Umstellung war für viele Schülerinnen und Schüler ein Schock. Wer dabei nicht mitkam, wurde schnell als Tölpel bloßgestellt. Obwohl Dialekt mehr und mehr den Ruf einer minderwertigen Sprachform bekam, blieb er noch bis weit in die Hälfte des 20. Jahrhunderts für viele das, was man „Muttersprache“ nennt. Allerdings: Gegenüber der preußischen Obrigkeit erwies sich die Mundart als eine Art Geheimsprache, die kaum ein Zugereister verstehen konnte. Die Figuren des altehrwürdigen Hänneschen Theaters in der Domstadt sprechen bis heute Kölsch, bloß der preußische Beamte Schnäuzerkowski bedient sich des Hochdeutschen.

„Dat Portal“ stelle mit dem „Wort der Woche“ übrigens regelmäßig ein besonders kurioses rheinisches Sprachschätzchen vor. Aktuell lautet es „fimschich“. Für alle, die nicht genau wissen, was es damit auf sich hat, kommt hier die Lösung: „leicht anrüchig, fast verdorben, aber auch schwach gebaut, nicht sicher, wackelig“, in der Eifel auch „hypochondrisch, im südlichen Rheinland „ängstlich“, am Niederrhein verbreitet „kompliziert,  schwer durchschaubar“.

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