Kammermusik Klavierabend ohne Politik

Der türkische Pianist Fazil Say spielte mit dem Casal-Quartett in der Tonhalle.

 Fazil Say in der Tonhalle.

Fazil Say in der Tonhalle.

Foto: Diesner/Susanne Diesner

Sicherlich waren die meisten Zuhörer, darunter viele türkische Landsleute, wegen Fazil Say in die Tonhalle gekommen. Der Pianist ist ja in Düsseldorf kein Unbekannter, er hat an der Robert-Schumann-Hochschule bei David Levine studiert.

Der türkische Piano-Superstar und Bürgerrechtler spielte zunächst solo. Er eröffnete das Programm mit Beethovens „Appassionata“. Wie beiläufig begann Say mit der Vorstellung der musikalischen Elemente: Triller, pochender Bass, schnelles Laufwerk. Das Material verdichtete sich dann und baute einen regelrechten Drive auf, strebte schier unaufhaltsam auf ein Ziel hin. Auf diesem Weg hielt der Pianist aber doch immer wieder inne, um Steigerungen neu aufzubauen. Sein Fortissimo ging dabei oft ins allzu Grandiose, als wolle er mit Beethoven eine Revolution anzetteln. Diese Steigerungen wurden allerdings durch recht viele Fehlgriffe getrübt. Mit beschwörender Geste wies Say den Klängen oft den Weg in den Raum.

Danach stand Fazil Say gleichzeitig als Komponist und als Pianist im Mittelpunkt. Nun war auch ein Streichquartett beteiligt, das Schweizer Casal-Quartett. „Das verschobene Haus“, eine einsätzige „Hommage à Atatürk“ für Klavier und Streichquartett, erzählt eine Begebenheit vom Begründer der Türkei, die zunächst seine Verbundenheit mit der Natur schildert, aber auch politisch verstanden werden kann. Die Komposition bemühte viele Elemente aus der Musikgeschichte von der Romantik über den Impressionismus bis zum Bruitismus. Mal stampften asymmetrische Rhythmen, mal zwitscherten Vögel apart am oberen Ende des Geigengriffbretts. Oft rauschte es allerdings sehr romantisch. Weniger „Soße“, um mit Satie zu reden, hätte dem Stück gut getan. Die Musiker hatten aber sichtlich Freude an Says Werk. Die Politik blieb außen vor. Für einen Abend vergessen war die kritische Haltung Says gegenüber der Politik Erdogans, die jedoch dieser Tage durch eine Einladung des Pianisten an den Staatspräsidenten zu einem Klavierabend nach Ankara eine unerwartete Note bekommen hat.  

Ganz ohne „Soße“ kam das Casal-Quartett in Haydns Komposition in G-Dur op. 77.1 aus. Hier hörte man Kammermusiker aus dem klassischen Gestus heraus: mal verspielt, mal zupackend, dabei stets konzentriert und ohne auftrumpfende Selbstdarstellung, nur Haydns Notentext dienend. Eine vorzügliche Visitenkarte des Ensembles!

Bei Schumanns Klavierquintett Es-Dur trumpfte Say erneut auf, zwang damit die Streicher zu gehöriger Kraft aus dem Bogen. Den Rang der Tonhalle erreichte dann ein massiver Klang, der differenziertes Verfolgen der Stimmen unmöglich machte. Dort, wo sich der Pianist beschränkte und sich dem Gestus und dem Ton des Quartetts anschloss, etwa im verhalten pochenden Rhythmus des Trauermarsch-Themas im zweiten Satz, gelang aber tatsächlich Kammermusik.

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