Berlinale Mehr schlecht als Brecht

Berlin · Filmemacher Heinrich Breloer machte Thomas Mann populär. Nun erzählt er das Leben Bertolt Brechts.

 Tom Schilling als junger Bertolt Brecht.

Tom Schilling als junger Bertolt Brecht.

Foto: dpa/Stefan Falke

Dieser Brecht kann ein ganz schöner Schmutzpuckel sein. Als eine seiner Freundinnen schwanger ist, sagt er: „Jetzt reißen sich schon die Ungeborenen um mich.“ Und als die Freundin das Kind verliert, hat er für sie diesen Satz parat: „Jetzt bist Du frei.“ Möchte man sich mit so einem Kerl drei Stunden lang auseinandersetzen?

Unbedingt, findet Heinrich Breloer. Der 76-Jährige zeigt seine Produktion „Brecht“ bei der Berlinale, sogar der Bundespräsident kam, um sie zu sehen. Der in Köln lebende Breloer ist ja so etwas wie der Geschichtslehrer der Nation. Er drehte Filme über die Familie Mann („Die Manns – Ein Jahrhundertroman“), über die RAF („Todesspiel“) und das Verhältnis von Albert Speer zu Adolf Hitler („Speer und Er“). Und jedes Mal begeisterte er Millionen für ein Thema, das doch sattsam bekannt erschien, indem er Spielszenen, Doku-Material und Interviews mit Zeitzeugen mischte, Fakten aus dem Off einsprach und einen neuen Zugang legte. Ein Drittel mehr Leser habe Thomas Mann seit seinem Film und der Darstellung Armin Mueller-Stahls, sagt Breloer in Berlin nicht ohne Stolz.

Der Film „Brecht“ zerfällt nun in zwei Teile zu je 90 Minuten: Tom Schilling spielt den werdenden Dichter und müht sich arg mit dessen Breitbeinigkeit. Burghart Klaußner ist als gereifter Theatermann mit Zigarre gut, bisweilen aber sehr gravitätisch. Schön ist manche Gesprächssequenz, etwa jene bereits in den 1970er Jahren gefilmte mit Brechts Jugendliebe Paula Banholzer. Sie reagiert nach der Lektüre der Beschreibung eines gemeinsamen Ausflugs in Brechts Tagebüchern mit heiterer Empörung: „Der Lügner!“

Dieser Brecht mutet im Ganzen indes allzu museal an, als dass er eine junge Generation begeistern könnte, wie Breloer es sich wünscht. Hinzu kommt, dass sich der Filmemacher beim Versuch, Brecht vom Kopf auf die Füße zu stellen, vor allem an den Frauengeschichten des Dichters entlanghangelt. Und da ist bekanntermaßen kein Sympathiepunkt zu gewinnen: Brecht war ein Menschenfresser, benutzte Frauen, legte sie ab, tauschte sie gegen Jüngere aus. „Ich will, dass Brecht uns als Mensch entgegentritt“, sagt Breloer dazu, „mit allen seinen Ängsten, seinem Genie und den Kosten, die das Genie ausgelöst hat.“

Der Regisseur gibt zu, dass vor allem Brechts Gedichte überlebt hätten, allen voran die „Buckower Elegien“. In den Dramen wirkten seine Figuren hingegen oft konstruiert. Und dennoch sei Brecht derjenige gewesen, der seiner Generation die Kritikfähigkeit und das Denken beigebracht habe. Breloer zitiert die „Fragen eines lesenden Arbeiters“: „Wer baute das siebentorige Theben? Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?“ Das sei das, was Brecht uns immer noch biete: „Der Glaube an die Vernunft, das Recht auf den Zweifel und die Möglichkeit, sich noch eine andere Gesellschaft vorzustellen.“

Der heimliche Star dieses Film ist die von Adele Neuhauser mit so einer melancholisch abgefederten Kantigkeit gespielte Helene Weigel. Sie führte Brechts Theater, das Berliner Ensemble in Ostberlin; sie hielt sein Erbe lebendig. Sie erscheint als zeitgemäßere Figur. Vielleicht wäre es einen Versuch wert, den Kosmos Brecht bei künftigen Versuchen rein über sie zu erschließen.

Die letzten Worte Brechts sollen übrigens diese gewesen sein: „Lasst mich doch in Ruhe.“

Info Vom 14. bis 20. Februar ist „Brecht“ im Kino zu sehen. Danach wird der der Zweiteiler auch auf Arte (Freitag, 22. März, ab 20.15 Uhr) und im Ersten (Mittwoch, 27. März, ab 20.15 Uhr) zu sehen sein.

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