Film-Kritik Match Point: Zwischen Geld und Liebe

Der Stadtneurotiker kehrt New York den Rücken. Altmeister Woody Allen hat zum ersten Mal einen Film komplett in Europa gedreht - und das sollte er von nun an nur noch tun: "Match Point" ist ein Meisterwerk, humorvoll wie ernst, scharfsinnig wie spannend, und verfügt u.a. mit Jonathan Rhys-Meyer und Scarlett Johannson über glänzend aufgelegte Schauspieler.

Match Point
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Foto: Pro Kino

Nur ein winziger Augenblick kann bei einem Tennisspiel über Glück oder Misserfolg entscheiden: Bei einem Netzball ist für einen Moment offen, ob der Schlag zum Punkt oder zum Fehler führt. Vom Tennis versteht Chris Wilton (Jonathan Rhys Meyers) eine Menge, denn er verdient als Trainer seinen Lebensunterhalt. Da er gesellschaftlich nicht ohne Ambitionen ist, nutzt er seinen Job in einem englischen Club, um in die höheren Londoner Kreise zu gelangen. Doch Glück und Unglück liegen, so auch in Woody Allens neuem Film "Match Point", dicht beieinander. Für seinen ersten komplett in Europa gedrehten Film wählte Allen große Themen wie Schuld und Moral und machte daraus ein ernstes, kluges und bis zum Schluss spannendes Drama.

Chris Wilton ist ein gut aussehender junger Mann mit Charme, wie ihn Schwiegermütter in spe lieben. Hinter seinem gewinnenden Lächeln verbergen sich aber gierige Augen, die mehr wollen, als ihm das Leben bisher geboten hat. Er kommt aus der Unterschicht und lernt als Trainer in einem englischen Nobel-Tennisclub Tom Hewett (Matthew Goode), dessen Schwester Eleanor (Penelope Wilton) sowie dessen Verlobte Nola Rice (Scarlett Johannson) kennen. Er beginnt ein Verhältnis mit der gutmütigen, aber naiven Eleanor und gewinnt auch deren Eltern im Sturm. Dem beruflichen und gesellschaftlichen Aufstieg des smarten Chris steht nichts mehr Wege - wenn da nicht die gescheiterte Schauspielerin Nola wäre.

Die junge amerikanische Schönheit hat an der Seite des von ihr ungeliebten Verlobten Tom zumindest den gesellschaftlichen Aufstieg geschafft. Den beruflichen Misserfolg und ihre Unsicherheit in dieser Welt von Geld und Noblesse ertränkt sie im Alkohol. Sie weiß, ebenso wie Chris, "um die Tragik des Lebens", wie der es nennt. Chris stillt seinen geistigen und seelischen Hunger mit Dostojewski, Strindberg und Opernmusik.

Die beiden in dieser fremden Welt wie verloren wirkenden Menschen beginnen ein Verhältnis, das in einem furchtbaren Drama endet, denn Chris will sein angenehmes Leben in der englischen Upper-class auf keinen Fall aufgeben. Und am Ende ist es wieder - wie bei einem Netzball in einem Tennisspiel - ein ganz kurzer Moment, der über die Zukunft des Hauptdarstellers entscheidet.

Ebenso liebevoll wie der bekennende New Yorker Stadtneurotiker Allen bislang in vielen seiner Filme seine Heimatstadt in Szene setzte, so verfährt er auch mit London. Als Drehorte suchte er sich die besten Plätze der Stadt, etwa den St. James Park, die Tate Modern, Notting Hill, Chelsea, einen noblen Landsitz in Buckinghamshire und das Opernhaus Covent Garden aus. Sie machen, ebenso wie das hervorragende Schauspielerensemble und die großartigen Arien aus Opern von Verdi, Rossini, Donizetti und Bizet, das Ehebruch-Kammerspiel zu einem zweistündigen Kinoerlebnis. "Match Point" wurde Mitte Dezember für den Golden Globe 2006 nominiert.

(afp)
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