Film-Kritik U-Carmen: Liebe, Lust und Leidenschaft in Xhosa

Carmen ist der Inbegriff für spanischen Stolz, glühende Leidenschaft und tragische Verwicklungen. Zumindest in Georges Bizets Original-Oper ist die Figur so angelegt. Dass es auch ganz anders geht, beweist jetzt der südafrikanische Regisseur Mark Dornford-May, der die Liebesgeschichte ans Kap verlegt. Seine Carmencita ist schwarz und singt nicht französisch, sondern Xhosa, die Sprache der Townships.

U-Carmen
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Foto: MFA

Mit ihrer Interpretation der "Carmen" dürfte Pauline Melafane in der Operngeschichte zumindest ein kleiner Platz sicher sein. Die südafrikanische Sängerin spielt im Filmerstling von Theaterregisseur Dornford-May, "U-Carmen", die Hauptrolle mit Stärke, Schönheit, Stolz und einem dramatischen Mezzosopran. Dass der Streifen auch in der Filmgeschichte seinen Platz bekommt, dafür sorgte im Februar die Jury der Berlinale. Sie wählte den Außenseiter zum überraschenden Gewinner und vergab erstmals an einen Film aus Südafrika die begehrte Auszeichnung.

Bis ins Detail hinein übersetzt Dornford-May das Drama der unabhängigen Carmen, die nur den liebt, der sie nicht liebt, in die Armut der südafrikanischen Townships. In den teils dokumentarischen Aufnahmen zwischen Wellblechhütten und Ghetto-Straßen arbeitet Carmen als Zigarettendreherin, in ihrer Freizeit singt sie mit Freundinnen und Kolleginnen im Chor, der sich auf eine konzertante Aufführung von Bizets Carmen vorbereitet.

Selbst einen "Stierkampf" übernimmt Dornford-May, nur dass daraus nun die rituelle Tötung eines Ochsen wird, eine aus dem Stammeskult ihrerseits adaptierte Zeremonie, jetzt mit Blechtöpfen und Alkohol zelebriert.

So universell Bizet die Oper anlegte, so viel Gültigkeit behält auch Dornford-Mays Adaption. Obwohl seine "Carmen" komplett in Xhosa übersetzt und mit den charakteristischen Schnalzlauten der südafrikanischen Sprache versetzt ist, verliert "Carmen" Pauline Melafane nichts von der Eindringlichkeit ihrer tragischen Figur. Im Gegenteil.

Wenn die schwergewichtige Sängerin in engem Sportdress und der Kaffeetasse auf dem Kopf zu Bizet die mächtigen Hüften kreist, transportiert sie die wohl einst vorgestellte Sinnlichkeit mehr als je ihre berühmten Vorgängerinnen dies erreichten - von Maria Callas über Anna Moffo bis Jessye Norman.

Gegen solch Charisma verblasst "Carmens" Counterpart Jongikhaya, gespielt von Andile Tshoni, ein wenig. Doch das Ensemble, dass sich aus den Mitgliedern der 2000 gegründeten südafrikanischen Gruppe Dimpho Di Kopane (DDK) rekrutierte, fängt das Ungleichgewicht durch überaus dichte Spiel- und Gesangsszenen leichtens auf.

"U-Carmen eKhayelitsha" erlebte im März 2005, also erst nach dem Triumph der Berlinale, seine Premiere in Südafrika, und zwar in jener Mehrzweckhalle des Cap-Townships Khayelitsha, die selbst Spielstätte der letzten dramatischen Begegnung zwischen Carmen und Jongi im Film wurde. Täglich kamen der Produktion zufolge rund 1.500 Menschen, um die erste südafrikanische Opernfilmproduktion zu erleben. Bleibt zu hoffen, dass in Deutschland nicht nur Opernfans sich auf das sinnliche Vergnügen der neuen Carmen einlassen.

(afp)
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