Punkband Feine Sahne Fischfilet „Wir sind keine Gewalt-Freaks“

Der Sänger von Feine Sahne Fischfilet spricht über die Vorwürfe gegen seine Band und das Leben in Ostdeutschland. Am Freitag füllt die Gruppe die Mitsubishi Electric Halle in Düsseldorf.

 Die Punkrock-Band Feine Sahne Fischfilet mit Sänger Jan Gorkow, genannt „Monchi“, in der Bildmitte.

Die Punkrock-Band Feine Sahne Fischfilet mit Sänger Jan Gorkow, genannt „Monchi“, in der Bildmitte.

Foto: label

Feine Sahne Fischfilet haben ein bewegtes Jahr hinter sich. Ihr Album „Sturm & Dreck“ erreichte Platz drei der Charts. Im Kino schilderte die Doku „Wildes Herz“ ihren Alltag. Sie beteiligten sich am „Wir sind mehr“-Konzert in Chemnitz. Sie traten beim Tour-Finale der Toten Hosen auf. Und dann gab es die Aufregung um das abgesagte Konzert im Bauhaus Dessau, das schließlich an anderem Ort stattfinden musste. Immer wieder wurde erwähnt, dass der Bandname 2011 im Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern auftauchte, wegen einer angeblich „explizit anti-staatlichen Haltung“. Der Sänger der Band, Jan Gorkow, genannt „Monchi“, sitzt nun im Büro von JKP, der Plattenfirma der Toten Hosen, die seit einiger Zeit Feine Sahne Fischfilet managt. Am Freitag füllt die Gruppe die Mitsubishi Electric Halle, 7500 Menschen werden erwartet, das größte Einzelkonzert bisher, seit Oktober ausverkauft. Gorkow stammt wie seine fünf Bandkollegen aus Mecklenburg-Vorpommern. Er wirkt jungenhaft, sagt „Leudeh“ statt „Leute“, und er erwähnt mehrfach, wie froh ihn der unerwartete Zuspruch des Publikums macht.

Wie schlimm ist es im Osten?

Gorkow Ich lebe sehr gerne im Osten. Ich halte nichts von Pauschalisierungen. Der Rechtsruck innerhalb der Gesellschaft ist nicht nur ein ostdeutsches, sondern ein bundesweites und europäisches Problem. Dortmund liegt nicht im Osten. Aber auch dort gibt es Typen, die mit Fahnen durch die Stadt laufen, auf denen Sprüche stehen wie „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit“.

In Sachsen gibt es auffallend oft Übergriffe.

Gorkow Das kommt nicht aus dem luftleeren Raum. Dort hat sich der NSU gebildet, dort wurde Nazigewalt verharmlost, deshalb fühlen sich solche Leute in dem Klima wohl. Umso wichtiger ist es, die coolen Leute vor Ort zu unterstützen. Es darf nicht das Gefühl entstehen, da dürfe man nicht mehr hinfahren, da sei es schlimm. Deshalb noch mal: Wir leben da gerne, da leben unsere Familien, unsere Freunde.

Wie unterstützen Sie Leute vor Ort?

Gorkow Wir organisieren Feste in den Dörfern. Unsere Tourneen lassen wir in Saalfeld, Plauen oder Chemnitz beginnen. Wir machen das, was wir als Jugendliche auf dem Dorf damals selbst gut gefunden hätten.

Sehen Sie sich als mobiles Einsatzkommando in Sachen Rechtsruck?

Gorkow Quatsch! Wir sind eine Band. Wir sind keine Politnerds, die die ganze Zeit über Politik reden. Am liebsten liege ich an der Ostsee. Aber wir nutzen halt unser Privileg.

Welches Privileg?

Gorkow Das Privileg, viele unterschiedliche Menschen zu erreichen. Musik erreicht mehr als der tausendste schlaue Flyer. Aber in unserer Musik geht es ja nicht so sehr um Politik, sondern um persönliche Geschichten.

Aber Sie schreiben doch auch politische Songs.

Gorkow Die sind dann aber nicht von unserer persönlichen Welt zu trennen. Das Lied „Angst frisst Seele auf“ zum Beispiel haben wir für eine gute Freundin geschrieben, Katharina König. Sie wurde mit dem Tod bedroht, weil sie im NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen sitzt.

Von wem wurde sie bedroht?

Gorkow Von einer Naziband mit dem Namen Erschießungskommando. Die haben ein Lied nach ihr benannt. Was sagt man zu einer Freundin, die total fertig ist, weil eine Band drei Minuten lang darüber singt, wie sie abgeschlachtet wird?

Sie sind inzwischen für viele mehr als eine Band. Sie sind ein Symbol.

Gorkow Es gibt bei uns eine Textzeile. „Du bist nicht allein“, heißt die. Und in solchen Zeilen sehen die Leute, dass es noch mehr gibt, die sich dem Rechtsruck nicht beugen.

Wird der deutsche Pop allgemein politischer?

Gorkow Es muss nicht jeder politische Reden halten. Ich hoffe, dass Musik authentisch bleibt. Lieber eine Band, die nur über Liebe singt, und du nimmst es ihr ab. Wenn ich nicht in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen wäre, sondern in Düsseldorf, würde ich mich vielleicht gar nicht für Politik interessieren, sondern genießen, wie schön der Rhein ist. Wenn sich Leute aber positionieren, weil sie meinen, dass es an der Zeit ist, so wie kürzlich Helene Fischer, dann finde ich das gut.

Wird es Konzerte wie zuletzt in Chemnitz demnächst auch in Bochum und Essen geben müssen?

Gorkow Solch ein Konzert in Dortmund-Dorstfeld, das wäre ein gutes Ding.

Viele sagen, die Musik habe ihren Einfluss auf die Jugendkultur verloren. Sehen Sie das auch so?

Gorkow Keine Ahnung. Musik war früher kein wichtiger Punkt in meinem Leben.

Nicht?

Gorkow Ich spiele kein Instrument. Unser Bassist hat mich auf dem Schulhof angequatscht, ob ich mitmachen will, und ich habe ja gesagt. Hätte er HipHop gemacht, würde ich heute HipHop machen. So ist es. Inzwischen ist Musik wichtig für mich. Weil ich damit Sachen zum Ausdruck bringen kann. Und wenn ich sehe, dass es Leute berührt, dann ist das schon was Tolles.

Sie wirken optimistisch.

Gorkow Das ist wichtig, dass wir das erhalten. Was ich total schlimm finde, ist, wenn Leute die ganze Zeit vom Weltuntergang singen. Da wirst Du ja depressiv. Wir sind positiv, schon aus Eigenschutz.

Es gibt heftige Kritik an Ihrem Lied „Staatsgewalt“ aus dem Jahr 2011. „Die Bullenhelme, die sollen fliegen / Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein!“, heißt es da. Warum haben Sie das geschrieben?

Gorkow Früher haben wir Texte im Mathe-Unterricht geschrieben: nebenbei, zack, fertig. Wenn wir das heute so machen würden, wäre das erbärmlich. Unser Gitarrist und ich schreiben die Texte, alle gucken drauf und sagen, ob drin ist, was sie denken. Wir fragen uns: Ist das zu stumpf? Wir machen das heute bewusster, weil wir wissen, dass die Texte inzwischen von mehr Leuten gehört werden und länger stehenbleiben.

Texte wie „Staatsgewalt“ würden Sie also nicht mehr schreiben?

Gorkow Wir sind 31 und nicht mehr 18. Wir entwickeln uns. Aber...

Aber?

Gorkow ...wir sind auch Projektionsflächen. Lieder sind keine Magisterarbeiten. Du versuchst, ein Gefühl auszudrücken, das du in einem bestimmten Moment hattest. Und dieses Lied handelt in den ersten Strophen davon, wie man verprügelt wird. Ich kann nachvollziehen, dass Leute das nervig finden und nicht verstehen, warum wir es gesungen haben. Aber die waren wahrscheinlich auch noch nicht in den Situationen, in denen wir waren. Das ist streitbar. Aber authentisch. Wir sind keine Gewaltfreaks. Die meisten Leute wissen nicht, wie es ist, mit einem schwarzen Kumpel über das Dorffest zu gehen, und der kriegt das zehnte Bier über den Kopf. Ich habe Glück, dass meine Mutter Zahnärztin ist, weil meine Vorderzähne eingeschlagen wurden. Man musss sich manchmal einfach auskotzen.

Sie verstehen die Aufregung also nicht?

Gorkow Ich war kürzlich auf Lesbos. Auf einem Boot zwischen der griechischen und der türkischen Küste. 396 Leute haben da auf einem Schlauchboot versucht zu flüchten. Vier Leute sind ertrunken. Die, die ankamen, werden eingesperrt in ein Lager. 9000 Leute leben da, 2500 sind zugelassen. Völlige Verwahrlosung. Es gibt genug, das man ansprechen muss, weil es erbärmlich ist. Es ist so: Ich finde es völlig bescheuert, wenn beim G20-Gipfel irgendwelche Kleinwagen abgefackelt werden. Aber ich kann anderseits nicht verstehen, wie Politiker sich zwar über vier alte Verse von uns so aufregen und sich damit aufhalten können, aber nichts unternehmen gegen das Leid, das Menschen im Mittelmeer widerfährt. Das ist scheinheilig.

Sie möchten nicht an Ihren Texten gemessen werden?

Gorkow Wenn man uns messen will, dann bitte an unseren Taten. Campino wird auch nicht vorgeworfen, dass er mal „Wir schießen 2, 3, 4, 5 Bullen um“ gesungen hat.

Was wollen Sie mit Ihrer Musik erreichen?

Gorkow Schöne Momente schaffen. Für die Leute und für uns.

Sind Sie Punk?

Gorkow Nee, null. War ich nie. Ich bin auch nicht linksradikal. Wir machen Punkrock, weil man da nichts können muss. Punkt. Anzugträger, Punk: So definiert man sich heute nicht mehr.

Wie denn?

Gorkow Ich verachte Menschen, die andere Menschen umbringen. Egal, welche Nationalität sie haben. Vor dem Konzert in Chemnitz hat man mir unterstellt, ich würde wollen, dass es da knallt. Aber das stimmt nicht. Der Vorwurf kam so oft, dass ich das Gefühl habe, diejenigen, die das sagten, wollten selbst, dass es knallt. Wir haben unser Statement auf der Bühne abgeliefert. Das spricht für sich. So ein Konzert rettet nicht die Welt. Aber es ist ein Zeichen. Uns haben viele Leute danach angesprochen und gesagt, dass unser Auftritt und überhaupt das Konzert ihnen Kraft gegeben haben. Darum geht es.

Schauen Sie bitte 20 Jahre in die Zukunft. Was sehen Sie?

Gorkow Es wird gesellschaftlich noch schwieriger. Der Rechtsruck geht weiter. Wenn ich mir überlege, was vor zehn Jahren in Parlamenten gesprochen wurde und wie menschenfeindlich es nun nach dem Einzug der AfD zugeht!

Was raten Sie?

Gorkow Es ist wichtig, dass sich die Leute nicht in Grabenkämpfen verlieren. Diejenigen, die an die Gesellschaft glauben, müssen zusammenhalten. Das Gute ist, dass immer mehr Leute das Gefühl haben, sie müssten etwas machen. Sie praktizieren das Einmaleins der Menschlichkeit. Oder sie sagen: bis hierher und nicht weiter. Das sieht man nicht nur an Demos, sondern auch an privat organisierten Aktionen. Vielleicht sagen die Leute ja in 25 Jahren: Wie hat man das, was damals mit den Flüchtlingen passiert ist, bloß geschehen lassen können?

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