Charlotte Gainsbourg in Köln La Boum im Stadtpalais

Köln · Charlotte Gainsbourg gibt ein bemerkenswert cooles Konzert in Köln.

 Charlotte Gainsbourg.

Charlotte Gainsbourg.

Foto: imago/Ritzau Scanpix/dpa, sab

Das ist ein schöner Abend im Kölner „Gloria“, er hat etwas von einer Fete im sturmfreien Stadtpalais einer höheren Tochter in Versailles – allerdings nicht heute, sondern im Jahr 1981. Die Bühne sieht aus, als hätte sie jemand entworfen, der „Sound & Vision“ von David Bowie als Ohrwurm hat: „blue, blue, electric blue“. Vier aus Neonröhren gebaute Tore glühen kalt, Nebel wandert, gelegentlich zerrissen von Lichtblitzen. Fünf New-Wave-Boys stehen im Hintergrund. Drei spielen Instrumente, einer tanzt, und der andere drückt blinkende Knöpfe an einem hohen Gerät, das aussieht wie aus einem Kraftwerk gestohlen.

Charlotte Gainsbourg sitzt vorne an der Bühne, ihretwegen sind alle da, der Laden ist ausverkauft, sie ist ja auch sehr toll. Die 47-Jährige ist die Tochter von Serge Gainsbourg und Jane Birkin, Lieblingsschauspielerin von Lars von Trier und Urheberin einiger Alben mit sehr informierter, sehr edler Popmusik. Sie spielt Klavier, sie trägt eine Sgt.- Pepper-Jacke, sie haucht Texte über Synthie-Sounds, Schlagzeug und Bass, und sie hat die Stücke dynamischer arrangieren lassen als auf Platte. Die Bässe sind fett, elektronische Effekte sorgen für Alarm. Manchmal steht Gainsbourg auf, allerdings ist sie schüchtern, deswegen lehnt sie sich an eine Neonröhre, hakt den linken Daumen in die Tasche der Jeans und hält sich mit der rechten Hand am Mikro fest.

Nach manchen Songs sagt sie etwas, aber das geht im Applaus unter, denn alle sind sehr devoted hier, wie man so sagt, nur die Worte „plaisir“ und „Paris tonight“ kann man verstehen. Sie singt ein Lied, das Paul McCartney ihr geschrieben hat. Sie singt schön, die Jungs im Hintergrund legen einen Groove unter ihre Stimme, und man fühlt sich wie auf einer La Boum: mondän, cool, bisschen shillyshally. Zu einigen Liedern schauspielert Gainsbourg, dann guckt sie, als suche sie jemanden im Publikum, aber sie findet niemanden: Überall bloß Elektroden und keine Menschen. Danach lächelt sie stets, damit alle wissen, dass das nur Show ist und sie sich hier in Wirklichkeit sehr wohlfühlt.

Die ersten 30 Minuten dieses eigenwilligen und besonderen Auftritts sind umwerfend, und wie er auf die 900 Zuschauer wirkt, beschreibt eine Szene am Rande: Nach drei Liedern bedankt sich eine Dame so überschwänglich küssend bei ihrem Nebenmann für die Karte, dass man ihm am liebsten schon am Dienstagabend ein schönes Wochenende wünschen würde. Es geht nicht auf ganz so hohem Niveau weiter, aber es ist immer noch bemerkenswert – Festival des Style und der Pointiertheit. Der Höhepunkt ist das lange und enorm druckvoll auf die Bühne gebrachte Stück „Deadly Valentine“. Gainsbourg dehnt es, sie spart sich den letzten Refrain auf, und als er kommt, muss man seufzen: „To love and to cherish according to God‘s holy ordinance.“ Herrlich.

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