„Ein bisschen Frieden“ Vor 40 Jahren - Nicole gewinnt den Grand Prix für Deutschland

Bonn · Als sich Europas Schlager-Elite 1982 in Harrogate zum Grand Prix Eurovision de la Chanson traf, lag Krieg in der Luft. Mit einer weißen Gitarre in der Hand sang eine 17-jährige Schülerin aus dem Saarland dagegen an.

 Die damals 17-jährige deutsche Schlagersängerin Nicole Hohloch gewinnt mit ihrem Lied "Ein bisschen Frieden" als erste Deutsche den europäischen Schlagerwettbewerb Grand Prix d'Eurovison de la Chanson.

Die damals 17-jährige deutsche Schlagersängerin Nicole Hohloch gewinnt mit ihrem Lied "Ein bisschen Frieden" als erste Deutsche den europäischen Schlagerwettbewerb Grand Prix d'Eurovison de la Chanson.

Foto: dpa/-

„Last but certainly not least: Germany.“ Mit diesen Worten begann am 24. April 1982 im britischen Harrogate ein denkwürdiger Auftritt im Rahmen des europäischen Sängerwettstreits Grand Prix Eurovision de la Chanson. Nach einem eher bemühten Einspielfilmchen mit Rheinromantik und jeder Menge anderer Deutschland-Klischees gehörte die Bühne einer 17-jährigen Schülerin aus dem Saarland.

Mit flehendem Schmelz in der Stimme sang Nicole Hohloch von der Sehnsucht nach einem bisschen Frieden: „Ich weiß, meine Lieder, die ändern nicht viel; ich bin nur ein Mädchen, das sagt, was es fühlt.“ Und das alles, während das atomare Wettrüsten zwischen West und Ost die Demonstranten in Massen auf den Bonner Hofgarten trieb und Grand-Prix-Gastgeber Großbritannien zum Falkland-Krieg gegen Argentinien rüstete.

Sich selbst begleitete Nicole auf einer Gitarre: weiß, der Farbe des Friedens. Im Hintergrund saß Komponist Ralph Siegel am Flügel, hell gewandet wie die übrigen Begleitmusiker mit Ausnahme der Harfenistin, die in Schwarz erschien. Nicole selbst hatte in einem hochgeschlossenen schwarzen Kleid mit weißen Punkten – von manchen als „sittsam“ umschrieben – auf einer Art Barhocker Platz genommen.

Zur Inszenierung gehörte auch, dass die junge Sängerin ihr langes, blondes Haar offen trug. „Ich sah aus wie ein Engel – und ich wollte schon als Kind ein Engel sein“, kommentierte sie später. Ein Friedensengel, der den ersten und für 28 lange Jahre den einzigen Sieg für Deutschland bei dem Wettbewerb errang, der seit Anfang der 2000er als European Song Contest (ESC) firmiert.

„Ein bisschen Frieden“ traf offenbar den Nerv des Publikums. Mit klarem Vorsprung von 61 beziehungsweise 64 Punkten verwies die als letzte der 18 Teilnehmer gestartete Nicole Israel und die Schweiz auf die Plätze zwei und drei. Das Lied, dessen Text von Bernd Meinunger stammte, hielt sich wochenlang in den europäischen Charts. Vermutlich machte sich bezahlt, dass Nicole den Song bei der Siegerehrung auch schon auf Englisch, Französisch und Niederländisch im Repertoire hatte.

Im Rückblick mutet der Erfolg trotzdem irgendwie märchenhaft an, wie der Historiker Philipp Gassert einmal resümierte. Neue Deutsche Welle und Krautrock waren der musikalische State of the Art. „Diesem Genre ist 'Ein bisschen Frieden' ganz und gar nicht zuzurechnen.“ Stattdessen, so Gassert, habe die Sängerin perfekt in die von Helmut Kohl ausgerufene „geistig-moralische Wende“ gepasst, indem sie konservative Werte wie „Häuslichkeit, Familiensinn, sexuelle Zurückhaltung, kirchliche Bindung, Fleiß, Disziplin und Akzeptanz überkommener - auch geschlechtsspezifischer - Hierarchien“ verkörperte.

Manchen Spott und manche Häme musste Nicole aushalten. Den Refrain intonierte schon am Tag nach dem Grand-Prix-Sieg ihr finnischer Konkurrent Kojo, der mit dem Titel „Nuku pommiin“ (Atombombe) etwas expliziter als die Saarländerin unterwegs war: „Wenn ich sehe, wer hier gewinnt ..., da bin ich auf dem falschen Festival“, moserte der Musiker.

Nicole ließ sich davon nicht beirren. Im Gegensatz zu anderen Grand-Prix-Teilnehmern blieb sie kein One-Hit-Wonder. 2019 kam ihr bislang letztes Album „50 ist das neue 25“ heraus und stieg immerhin auf Platz 21 der Schlagercharts ein. Im ZDF-Ranking „Unsere Besten“ wurde die Sängerin 2003 unter die „100 größten Deutschen“ gewählt; 2005 belegte „Ein bisschen Frieden“ in der Kategorie „Jahrhunderthits“ Platz 7.

Geradezu gespenstisch mutet vier Jahrzehnte nach dem Grand-Prix-Abend von Harrogate die Tatsache an, dass eine neue Konfrontation zwischen Ost und West droht – Ängste vor einem Atomkrieg inklusive. In Film, Musik und Mode ist derweil ein 80er-Revival in vollem Gang. Und Nicole? Will zu alledem einstweilen nichts sagen. Ihre Plattenfirma verweist allerdings darauf, dass Antikriegslieder derzeit wieder sehr gefragt seien: von „Kleine weiße Friedenstaube“ (Marianne Rosenberg) bis hin zu „Sag mir, wo die Blumen sind“ (City).

Man mag das kitschig oder naiv finden. Aber wer die Bilder aus den Kriegsgebieten dieser Welt sieht, wird sich vielleicht an Nicoles Wunsch von damals erinnern: „Dass die Menschen nicht so oft weinen.“

(jus/kna)
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