Neues Album: Random Access Memories Daft Punk machen die Welt besser

Los Angeles · Acht Jahre waren die Roboter von Daft Punk in eigenen Sphären auf der Suche nach neuer musikalischer Energie unterwegs. Mit prominenter menschlicher Hilfe haben sie ihr neues Album aufgenommen und tanzbare Musik endlich wieder anspruchsvoll gemacht.

Die Roboter von Daft Punk erfinden sich neu
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Seit der Ankündigung auf Plakaten und in einem Werbeclip im amerikanischen Fernsehen wurde Random Access Memories zu einem der wichtigsten Alben, auf die die Musikwelt 2013 wartete. Nach dem Vorgänger "Human After All" im Jahre 2005 ist es das erste Studioalbum der beiden androiden Charaktere, die einer Legende nach französisch-stämmige Musiker namens Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo sein sollen. Nach 2005 haben Daft Punk sich analog zur Handlung des Films Tron in digitale Welten eingeklinkt und 2010 den Soundtrack zu dem Disney-Film geschaffen.

Die Entstehung des neuen Albums wirkt wie eine achtjährige Reise durch ferne musikalische Galaxien. Während dieser Reise haben Daft Punk vereinzelte Signale, Töne und Lieder von der Erde empfangen und einen eigenen Klang aus diesen Fragmenten kreiert. Ein Künstler, der den Robotern die Rückkehr zur Erde erleichtert, ist Pharrell Williams, der ein großes Faible für Raumfahrt hat. Seine Marke "BBC" hat einen Astronauten zum Logo und sein Plattenlabel heißt bezeichnenderweise "Star Trak". Neben Williams haben Daft Punk ihre Vorbilder und Wegbegleiter versammelt. Mit dabei sind: Nile Rodgers, Girogrio Moroder, Julian Casablancas, Paul Williams, Panda Bear, Todd Edwards und DJ Falcon. Dazu kamen unzählige Studiomusiker, die wie Paul Jackson Jr. die Popgeschichte der letzten Dekaden beeinflusst haben.

Roboter bringen den Discosound zurück

Mit der Vorab-Single "Get Lucky" haben Daft Punk mit Pharell Williams und Nile Rodgers den Disco-Sound zurückgebracht. Dank ihnen steht Disco seit dem Mai 2013 nicht mehr für nervtötende Technolieder mit Rapgesang, sondern für handgemachte Gitarrenriffs, wie sie Rodgers schon für Chic (z.B. "Le Freak"), David Bowie ("Let's Dance") und Madonna ("Like A Virgin") gespielt hat. Auch auf dem Einstiegssong "Give Life Back to Music" und bei "Lose Yourself to Dance" glänzt Nile Rodgers mit seinem einzigartigen Gitarrenspiel. Wobei man sich wünschen würde, dass die Bassgitarre ein wenig lauter und ähnlich funky wäre wie Nile Rodgers' Frisur. Pharrell Williams klingt auf dem letztgenannten Lied noch stärker und vordergründiger und ist einer der geheimen Stars des Albums.

Daft Punk setzen ihren Idolen ein Denkmal

Girgio Moroders Part auf dem Album ist nicht der eines geheimen Stars. Auf einem neun Minuten langen Monumentalstück wird textlich und musikalisch nicht weniger als seine Lebensgeschichte erzählt. Moroder spricht darüber, wie er zu Beginn seiner Karriere nach Auftritten als Gitarrist in deutschen Diskotheken im Auto schlief und wie er mit technischer Hilfe den typischen Discorhythmus erfand. Nach einem Monolog setzt eben dieser Rhythmus samt Synthesizermelodie im Lied ein und man fühlt sich, als ob man mit Girgio am Steuer auf der Landstraße zum nächsten Auftritt unterwegs ist. Nach einer weiteren kurzen Erzählung des Elektroprioniers und einem Orchesterpart setzt dann ein Schlagzeug und treibt das Lied voran. Das ist nicht mehr die klangliche Landstraße, sondern die Autobahn. Eine Reise im Cizeta V16T, dem 540 PS starken Sportwagen, den Moroder mitfinanzierte. Bei Höchstgeschwindigkeit kommen noch ein schnelles Gitarrensolo und elektronische Klänge hinzu. Das Bewegungsmittel der Wahl ist das Raumschiff.

Zwischen Weltraumklang und handgemachter Funkmusik

Für den Weltraumklang steht auch "The Game of Love", wobei die Frequenzen bei hoher Lautstärke nicht allen Boxen der Erdlinge gewachsen sind. Das Stück klingt damit an einigen Stellen ein wenig übersteuert. Menschlicher als "Touch" kann man sich hingegen kaum ein Lied vorstellen. Der Sänger und Songwriter Paul Williams singt so offen, dass seine Stimme zwischen Zerbrechlichkeit und Standhaftigkeit wandelt. Diese Stimme bildet dabei den fast einen kompletten menschlichen Charakter ab. Die Dramatik des Liedes und der Klang erinnern ein wenig an David Bowie, für den Paul Williams auch geschrieben hat.

Nicht nur Funk, sondern auch feinster House

Wer von Daft Punk elektronische Einflüsse erwartet hatte, wird zum Ende von Random Access Memories an die Wurzeln des Duos in der House-Musik erinnert. Das Stück "Doin' It Right" mit dem Künstler Panda Bear erinnert mit seinen wiederkehrenden Wortfragmenten an "Around The World" vom Debütalbum Homework. "Doin' It Right" kratzt leicht an der Grenze zur Eintönigkeit vorbei, aber dieses Lied im Stil des Electro-Boogie lädt dazu ein, Roboterbewegung auf der Tanzfläche auszuführen.

"Contact" ist das letzte Lied des Albums und hat DJ Falcon zu Gast, mit dem Thomas Bangalter das Duo Together gebildet hat. "Contact" knüpft jedoch nicht an der Together-Single "So Much Love To Give" an, sondern treibt den typischen Pariser House-Sound á la Ed Banger auf die Spitze. Neben elektronische Hilfsmittel treten hier unveränderte Schlagzeugklänge und eine Orgel, die erst nach der Hälfte eine Verzerrung erlebt. Zum Schluß fließt eine stark verzerrte Gitarre in das Lied ein. Das Ganze erinnert ein wenig an den Song "Aerodynamic" von Album Discovery. Am Ende steigert sich das Lied in extraterrestrische Klänge und die Roboter entschwinden in ihrem Raumschiff wieder in ungeahnte Weiten.

Neben den beschriebenen Highlights bleiben einige Kritikpunkte am neuen Album haften. So hätte der Strokes-Frontmann Julian Casablancas besser auf einem rocklastigen Song geklungen als auf dem eher seichten "Instant Crush". Auch der Gastauftritt des Wahl-Kölners Chilly Gonzales wirkt ein wenig wie ein Vorbeifliegen an gutem Sound. Zwar spielt er auf "Within" gut Piano, doch fehlt der Witz, den man von seinen eigenen Stücken kennt und die Virtuosität, die er live an den Tag legt.

Das Album revolutioniert nichts, sondern reformiert Alles

Mit Random Access Memories gehen Daft Punk nicht wie beim Vorgänger Human After All in eine Nische und sprengen bestehende Grenzen zu ihren Gunsten, sondern sie nehmen sich bestehender Genres an und verbessern diese Stück für Stück. Damit machen sie die ganze Musikwelt besser. So darf man sich zum Beispiel freuen, dass Disco-Fox-Rhythmen nicht mehr nur simplem Popschlager zugeordnet werden müssen.

(ac)
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