Rücktritt des „letzten Ruhrbarons“ Evonik verabschiedet sich von Aufsichtsratschef Müller

Essen · Lobesreden, Komplimente und Wehmut: Vorstand und Anteilseigner von Evonik haben auf der Hauptversammlung Abschied von Werner Müller genommen, dem schwer erkrankten Erfinder und Aufsichtsratschef des Spezialchemiekonzerns.

 Werner Müller, scheidender Vorsitzender des Aufsichtsrats des Chemiekonzerns Evonik, winkt von der Bühne der Jahreshauptversammlung.

Werner Müller, scheidender Vorsitzender des Aufsichtsrats des Chemiekonzerns Evonik, winkt von der Bühne der Jahreshauptversammlung.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

"Der letzte große Ruhrbaron tritt ab", sagte Ulrich Hocker von der Aktionärsvereinigung DSW. Mit seinem Ausscheiden gehe eine Ära zu Ende, sagte Stefan ten Doornkaat von den Aktionärsschützern der SdK. Evonik-Chef Christian Kullmann ehrte ihn als "Gründervater" des Konzerns. Müller war das zu viel des Lobes: "Wir sollten uns auf die Tagesordnung konzentrieren - dazu gehört mein Ausscheiden nicht."

Großaktionär bei Evonik ist die RAG-Stiftung, die für die
milliardenschweren Folgekosten des 2018 auslaufenden deutschen Steinkohlebergbaus geradestehen und die sozialen Folgen abfedern soll. Die Stiftung hält aktuell rund 68 Prozent der Aktien des Essener Spezialchemiekonzerns und finanziert sich auch aus den Dividenden des Unternehmens. Aber auch in Branchen abseits der Chemie ist sie investiert. Der parteilose Müller hatte das Modell wesentlich entwickelt und umgesetzt. Nachfolger an der Spitze der Stiftung und des Evonik-Aufsichtsrats soll RAG-Chef Bernd Tönjes werden.

"Ohne Sie, Herr Müller, würde es Evonik gar nicht geben", sagte Kullmann. "Sie sagten in Vorbereitung der Hauptversammlung zu mir, das Leben sei Dienst." Er habe diesen Dienst auch für Evonik und das Ruhrgebiet "auf herausragende Art geleistet".

Müller wurde unter Bundeskanzler Gerhard Schröder Wirtschaftsminister

Der 1946 in Essen geborene Müller hatte sich nach dem Studium der Volkswirtschaft, Philosophie und Sprachwissenschaft ab 1973 erste Sporen beim Energieriesen RWE verdient. Danach wechselte er zur Veba, die 2000 im Versorger E.ON aufging. Unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wurde er 1998 Wirtschaftsminister. 2003 wechselte Müller auf den Chefsessel der von der Kohle geprägten RAG.

Der Manager formte ein gewinnträchtiges Unternehmen mit den Säulen Chemie, Energie und Immobilien, dessen Wert stieg. Schließlich kamen die auf die Chemie konzentrierten Geschäfte unter dem neuen Namen Evonik an die Börse. Ende 2012 wurde Müller Chef der Stiftung, damals rückte er auch an der Spitze des Evonik-Aufsichtsrats. Mit Ablauf der Hauptversammlung legte er seine Ämter nieder. Er ist an Krebs erkrankt.

Evonik-Chef Christian Kullmann, ein enger Vertrauter Müllers, will das Unternehmen mit seinen mehr als 36.000 Mitarbeitern nun zum "besten Spezialchemiekonzern der Welt" formen. Dazu will er das Unternehmen weiter umbauen und auch profitabler machen - die Ebitda-Marge soll mittelfristig von zuletzt 16 bis 18 Prozent auf 18 bis 20 Prozent steigen.

(togr/Reuters)
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