Digitalisierung Deutschland verschläft schnelles Internet

Berlin/Düsseldorf · Ende 2018 sollte es bundesweit schnelle Online-Anschlüsse geben. Aber in NRW haben nur vier geförderte Bauprojekte begonnen, von 487 Millionen Euro Fördergeld wurden erst zwei Millionen Euro ausgegeben. Anderswo läuft es kaum besser.

NRW kommt beim geförderten Ausbau von schnellem Internet nicht von der Stelle. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Danach haben Gemeinden, Städte und Kreise in NRW im Zeitraum von Ende 2015 bis heute von insgesamt 487 Millionen Euro an zugesagtem Fördergeld für den Breitbandausbau gerade einmal 1,7 Millionen Euro abgerufen.

Noch schlimmer ist, dass das gesamte bereits abgerechnete Geld dafür ausgegeben wurde, Kommunen Berater zum Anträge-Ausfüllen zu bezahlen, gleichzeitig jedoch noch kein einziges Bauprojekt beendet worden ist. "Das ist ein Trauerspiel", sagt Oliver Krischer, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag: "Wo längst schnelles Internet sein sollte, müssen sich Nutzer heute noch einen ruckeligen Stream oder eine sich drehende Eieruhr angucken."

Das Wirtschafts- und Digitalministerium in Düsseldorf bestätigt die schlechte Entwicklung, die in anderen Bundesländern ganz ähnlich ist. Erst vier Projekte zum geförderten Internetausbau hätten begonnen, erklärt die Behörde auf Anfrage. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sieht sich bestätigt, einen Neustart der Programme des Bundes zu fordern: "Das Bundesförderprogramm, das wir aufstocken, leidet unter bürokratischen Regelungen, technisch halbherzigen Lösungen und falschen Priorisierungen." Er fordert "endlich praktikable Lösungen."

Dabei hatte die große Koalition in Berlin schon 2013 als Ziel ausgegeben, bis 2018 für ganz Deutschland eine flächendeckende Grundversorgung von 50 Megabit pro Sekunde zu schaffen. Wörtlich hieß es: "Für ein modernes Industrieland ist der flächendeckende Breitbandausbau Schlüsselaufgabe." Tatsächlich liegt die aktuelle Versorgung in NRW nur bei 83 Prozent.

Wie langsam die Verfahren sind, zeigt sich im Rhein-Kreis Neuss. Dieser erhielt den Zuschlag für knapp vier Millionen Euro im März 2017. Nun hofft man, Ende Mai nach der Ausschreibung den Auftrag vergeben zu können. Ab wann die Bürger am schnellen Netz sind? "Mitte bis Ende 2019", erklärt ein Sprecher des Landkreises. Auch die Knappheit an Baukapazitäten mache einen rapiden Start schwierig.
"Das Verfahren ist komplex", sagt Uwe Breder, Breitbandkoordinator der Stadt Essen. Im Februar 2017 wurden neun Millionen Euro beantragt, um Versorgungslücken zu schließen, im August 2017 kam die Zusage, nun verhandelt man noch immer mit dem Projektträger.

Düsseldorf erhielt im Dezember den Zuschlag, nun erwartet man bis Ende 2020 fertig zu sein, sagt Chief Digital Officer Peter Adelskamp.

Auch andere Bundesländer wie Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz kommen nicht voran. In Niedersachsen sind von bislang zugesagten Fördermitteln des Bundes in Höhe von 390 Millionen Euro gerade mal 1,4 Millionen Euro verbaut worden, in Bayern flossen von 234 Millionen Euro bislang 3,6 Millionen Euro ab und in Baden-Württemberg waren es bei einer Fördersumme von 86 Millionen Euro 1,6 Millionen Euro, die Gemeinden, Städte und Kreise vom Fördergeld für schnelles Internet verbaut haben. Rheinland-Pfalz verbaute von 134 Millionen Euro nur 370.000 Euro für den Ausbau mit schnellem Internet. In allen 16 Bundesländern flossen von insgesamt zugesagten Mitteln in Höhe von 3,5 Milliarden Euro für den Breitbandausbau 13 Millionen Euro ab.

Eine spezielle Rolle spielt die Telekom. Grünen-Politiker Krischer und manche Telekom-Wettbewerber erklären, der Ex-Monopolist behindere viele Bauvorhaben, weil er Informationen über seine Infrastruktur geheim halte und bei drohenden Projekten von Wettbewerbern häufig als Reaktion schnell sein eigenes Netz ausbaue. Die Telekom-Zentrale in Bonn nennt die Vorwürfe "haltlos", sie arbeite gut mit Kommunen und Partnern zusammen.

Fakt ist: Laut Telekom-Angaben profitieren in NRW 3,5 Millionen Haushalte und Unternehmen davon, dass der Konzern seine DSL-Netze auf ein Übertragungstempo von bis zu 100 Mbit/Sekunde aufrüstet. Ergebnis: Die meisten Kunden freuen sich, aber alternative Investoren werden abgeschreckt.

(kowa)
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