Düsseldorf/Hannover Der Abstieg der Cebit zur reinen Fachmesse

Düsseldorf/Hannover · In Barcelona werden Smartphones bejubelt, im Silicon Valley trifft sich die Internetwelt - Hannover verliert an Bedeutung.

Was waren das für Zeiten! Fast 500 000 Besucher pilgerten noch 2007 zur jährlichen Computermesse Cebit - weltweite Medienberichterstattung war Programm. Dieses Jahr fahren ab Sonntag bestenfalls 250 000 Menschen nach Hannover - und wahrscheinlich wird nur über ein Ereignis wirklich breit berichtet: Weil China diesjähriges Partnerland der Cebit ist, spricht dessen erfolgreichster Internetunternehmer Jack Ma bei der Eröffnungsfeier am Sonntag. Und dessen Unternehmen Alibaba ist mit einem Börsenwert von 190 Milliarden Euro wertvoller als jedes Unternehmen Deutschlands.

Der Abstieg der Cebit hängt mit dem fundamentalen Wandel der weltweiten Computer- und Telekommunikationsindustrie zusammen. Die Musik zum Thema Internet spielt sowieso im Silicon Valley bei San Francisco - da fahren zunehmend Delegationen auch deutscher Traditionskonzerne wie Henkel hin. Zur populären Publikumsmesse in Sachen Smart-TV und privater Vernetzung hat sich die regelmäßig im September stattfindende Ifa in Berlin entwickelt - in den USA außerdem die Fachmesse CES in Las Vegas.

Neue Smartphones stellen HTC, Huawei oder Sony immer rund zwei Wochen vor der Cebit auf dem Mobile World Congress in Barcelona vor - wegen Platzmangel musste die Messe jüngst in neue Hallen umziehen. In Hannover ist die Messegesellschaft dagegen froh, wenn erneut 3300 Aussteller kommen -auch dank Preisrabatten vergrößert so manche Firma ihre Stände.

Trotz der schwierigen Lage spielt die Cebit für die deutsche Wirtschaft und Politik aber weiterhin eine riesige Rolle. Die Deutsche Telekom zeigt, wie sie mit Internet-Technik bei Medizin-Angeboten, beim vernetzten Zuhause, bei der Energiewende oder auch bei der Vernetzung des Autos eine führende Rolle spielen kann und will.

Dabei wollen Vorstandschef Tim Höttges und sein Experte für Großkunden im Vorstand, Reinhard Clemens, dafür werben, dass sich deutsche und europäische Unternehmen auf Plattformen zur Vernetzung von Produktionsprozessen und von Gegenständen einigen. "Die erste Halbzeit der Digitalisierung haben wir verloren", sagt Clemens, "jetzt müssen wir uns schnell und pragmatisch auf Standards für Zukunftsprodukte verständigen."

Gemeint ist, dass zwar alle Smartphone-Hersteller aus Asien oder den USA (Apple) kommen und dass die wichtigsten Online-Konzerne aus Kalifornien stammen, doch bei der Vernetzung von Traditionsindustrien hat speziell Deutschland eine große Chance.

Aus NRW gelten Firmen wie Secusmart aus Düsseldorf oder Secunet aus Essen als Vorreiter bei Sicherheitstechnologien im Internet - am Montag besucht darum auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) deren Stände. "Die Wirtschaft muss ihre Chancen aus der Vernetzung nutzen", sagt sie denn auch. Das klingt vernünftig, aber sie selber ist in ihrer Funktion als 2010 gewählte Ministerpräsidentin das erste Mal auf der Cebit.

Großes Potenzial hat die Vernetzung von Autos. Trotz Hype rund um digitale Wagen von Google oder vielleicht von Apple liegen BMW, Audi oder Mercedes bei der Verknüpfung ihrer Autos mit den Mobilfunknetzen noch vorne.

Die Telekom mischt da munter mit - ist aber weiter: Sie stellt ein vernetztes Fahrrad vor. Bei einem Unfall holt es automatisch Hilfe, bei Diebstahl meldet es seinen Standort. Die Kanzlerin und die NRW-Ministerpräsidentin werden sich bei ihren Messerundgängen freuen.

(RP)
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