Traum zerplatzt Wellingers Tournee ist schon nach einem Sprung ruiniert
Garmisch-Partenkirchen · Olympiasieger Andreas Wellinger hat schon in seinem ersten Sprung die gesamte Tournee verspielt. Trotz des Debakels von Oberstdorf geben sich Wellinger und Bundestrainer Werner Schuster bemüht selbstbewusst.
Mit dem Schrecken in den Gliedern und reichlich Wut im Bauch stürmte Andreas Wellinger in die Katakomben des Oberstdorfer Skistadions. Dass der Olympiasieger seine Vierschanzentournee schon mit dem ersten Sprung in den Sand gesetzt hatte, war ein satter Wirkungstreffer. Erst langsam kehrte Wellingers Kampfgeist zurück. "Es war ein Scheißsprung, das muss man erst mal sacken lassen", sagte Wellinger: "Jetzt muss ich eben auf Garmisch schauen - neuer Tag, neue Schanze."
Wieder einmal hat der Auftakt in Oberstdorf dafür gesorgt, dass zumindest Wellinger auch in diesem Winter nicht für den ersten deutschen Tourneesieg seit 2002 sorgen wird. Nie hatte er an diesem für ihn vermaledeiten Schattenberg mehr erreicht als Rang zehn, mit dieser Platzierung wurde er im Vorjahr noch Zweiter der Endabrechung.
Der Auftritt vom Sonntag - Platz 39 und verpasster zweiter Durchgang, dazu ein letztlich folgenloser Sturz im Auslauf - war aber der Tiefpunkt.
Wenngleich einer mit Ansage: Nach dem rauschenden Vorwinter mit olympischem Einzel-Gold in Pyeongchang springt Wellinger in der laufenden Saison weit hinter seinen Ansprüchen und seinem Können her, Platz zwei in Kuusamo war nicht mehr als eine Nebelkerze, die seine Probleme verdeckte. Es fehlt an Leichtigkeit und Lockerheit, was Wellinger mit dem Griff zur Brechstange kompensieren will - und das geht eben schief.
"Er wollte mit Gewalt den nächsten Schritt machen, er hatte große Träume. Aber das funktioniert beim Skispringen halt nie", sagte Bundestrainer Werner Schuster: "Das ist eine bittere Erfahrung für ihn. Aber das werden wir gemeinsam durchstehen, und er wird wiederkommen."
Bei aller Freude über den zweiten Platz von Wellingers Kumpel Markus Eisenbichler verhehlte Schuster nicht die tiefe Enttäuschung über den Absturz seines Musterschülers. "Bei uns ist ein Traum zerplatzt", sagte der Österreicher: "Das ist eine sehr bittere Erfahrungen für einen so jungen Springer."
Nun darf Wellinger aber trotz seiner erst 23 Lebensjahre eigentlich nicht mehr als junger Springer gelten. Der Ruhpoldinger, als 18-Jähriger schon Team-Olympiasieger in Sotschi, springt seine siebte Weltcup-Saison, hat viermal Gold und dreimal Silber bei großen weltweiten Meisterschaften gewonnen - Welpenschutz ist da fehl am Platz.
Wellingers großes Problem bleibt: Bei einzelnen Wettkämpfen wie beim Olympiasieg 2018 oder den beiden WM-Silbermedaillen 2017 in Lahti kann er Weltklasse darstellen. Über eine gesamte Saison von November bis März - oder auch nur eine neun- bis zehntägige Vierschanzentournee - hat er dieses höchste Level noch nicht gehalten.
Der Vorteil Wellingers ist, und da muss man dann doch bei Schuster sein, dass er in seiner Karriere mit allem stets früh dabei war. Der Musterschüler wird noch einige Chancen erhalten, es besser zu machen.