WM-Tagebuch Kascha, Gulasch und Blinis – Erfahrungen mit dem russischen Frühstückswesen

Moskau · Unser Autor befindet sich seit knapp zwei Wochen in Russland. Genug Zeit, um sich einmal mit der russischen Frühstückskultur vertraut zu machen.

 RP-Reporter Robert Peters.

RP-Reporter Robert Peters.

Foto: Peters

Es wird Zeit, sich Gedanken über das russische Frühstückswesen zu machen. Nach zwei Wochen bin ich nach journalistischen Maßstäben längst ein Kenner. Deshalb kann ich sagen, dass russische Frühstückskultur, vor allem jene, die in Hotels mit internationalen Gästen gepflegt wird, immer etwas mit den Wörtern reichhaltig und herzhaft zu tun hat.

Wer auch immer das will, und die Russen wollen es offenbar in großer Zahl, der beginnt den Tag mit mindestens einem Teller Milchbrei oder Milchsuppe. Sie nennen diese Suppe Kascha. Ich muss dann jedes Mal sehr stark sein, und ich erinnere mich mit einem leichten Grausen an die Essgewohnheiten meiner Großtante Else. Zu ihren Leib- und Magengerichten gehörte Milchreis, am liebsten mit Zimt und Zucker, den sie in verwegenen Mengen einschaufeln konnte. Zu meinen Leibgerichten gehörte Milchreis definitiv nicht, ich musste dann immer an etwas anderes denken. Tante Else hätte ihren Spaß an der russischen Frühstückskultur, obwohl sie Milchreis immer nur am Abend zu sich nahm.

Der Russe an sich belässt es nicht bei Kascha. Jetzt geht es nämlich erst richtig los. Wer etwas auf sich hält, der schichtet ein paar Würstchen, eingelegtes Gemüse, Salate, Bratkartoffeln und gebratenen Reis auf den Teller. Darauf legt er die berühmten Blinis, gerollte Teigfladen mit einer Füllung aus allem, was die Küche hergibt, oder die nicht minder berühmten Piroggen, mit Käse oder Hackfleisch gefüllte Teigtaschen. Die meisten meiner Mitinsassen des Frühstücksraumes vertilgen diese kleinen Berge auf ihren Tellern mit einer betörenden Geschwindigkeit.

Ich finde Blinis und Piroggen auch ziemlich gut. Und dass auf dem Büfett nicht nur allerlei Eierspeisen, sondern eben auch Salate und Oliven und sogar Brot angeboten werden, entspricht ziemlich exakt meinen Interessen.

Deshalb lege ich eine außerordentliche Toleranz für die Vorlieben der Gäste aus anderen Ländern an den Tag. Ich finde mich sehr großherzig. Die Gäste aus anderen Ländern stammen aus Südamerika oder Asien. In einer Hinsicht sind sie sich offenbar ähnlich, zumindest jene Delegationen, die ich beim Frühstück erleben darf. Sie können enorme Mengen warmer Speisen am Morgen zu sich nehmen.

Asiatische Menschen neigen nach meinen maßgeblichen Beobachtungen im Moskauer Frühstücksraum dazu, neben ein paar Tellern mit gut gewürzten Reisgerichten so etwas wie Gulasch und gern auch gerollte Pfannkuchen einzuatmen. Sie fertigen gelegentlich auch gefährlich anmutende Mischungen aus diesen Zutaten. Sie verdienen sich dafür meine Bewunderung und für ihre Fähigkeit, während des blitzartigen Verzehrvorgangs dem Augenschein nach hochinteressante Gespräche zu führen. Da sind sie wie Reiner Calmund, der ehemalige Fußball-Manager, der es in der Disziplin Essen und gleichzeitig Reden zu einer einsamen Meisterschaft gebracht hat. Vermutlich wird er in Asien schon lange verehrt.

Die Südamerikaner beweisen einen ausgeprägten Hang zu Eiern in jeder denkbaren Zubereitungsform. Ihr Favorit sind freilich die gebratenen Spiegeleier. Sie kombinieren ihre Spiegeleier (nie weniger als zwei) mit reichlich Pommes frites, die hier wie überall in Gasthäusern mit internationaler Kundschaft "French Fries" genannt werden. Beinahe überall, fällt mir ein, nur in Frankreich nicht. Soll einer aus den Franzosen schlau werden. Aber das ist ein anderes Thema.

Staunend sehe ich, wie auf Pommes-frites-Portionen, die einer mittelgroßen Familie als Tagesration reichen würden, etwa ein halber Liter Mayonnaise und ein viertel Liter Ketchup landen. Und ich staune noch mehr, als diese wirklich erstaunliche Ladung in einem Herrn verschwindet, den sein Fußballtrikot als Anhänger der peruanischen Nationalmannschaft ausweist. Das Trikot ist großzügig bemessen wie die Frühstücksration. Und der ganze Herr aus Peru ist großzügig bemessen. Meine Tante Else hätte gesagt: "Von nix kommt nix." Das stimmt noch heute.

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