Kolumne Die WM aus Amateursicht Was ein Trainer aus dem Spiel der Japaner lernen kann

Meinung | Fußball-WM · Bei der Weltmeisterschaft schaut auch Amateurtrainer Andreas Schwan von Union Nettetal genau hin. Nach der Auftaktniederlage der deutschen Mannschaft imponiert ihm insbesondere die Trainerleistung der Japaner. Außerdem hat ihm Saudi-Arabien gefallen.

 Ko Itakura von Borussia Mönchengladbach bejubelt den Sieg mit Japan über Deutschland.

Ko Itakura von Borussia Mönchengladbach bejubelt den Sieg mit Japan über Deutschland.

Foto: dpa/Tom Weller

Für mich aus Trainersicht war am Spiel der deutschen Mannschaft gegen Japan vor allem interessant: Da sind zwei Spielsysteme aufeinandergetroffen. Deutschland wollte über den Ballbesitzfußball zum Erfolg kommen, Japan hat auf Umschaltfußball gesetzt. Über zwei Drittel der Partie hat Deutschland ordentlich gespielt, das 2:0 war ja durchaus möglich. Defensiv hat die Mannschaft aber zu viele Fehler gemacht.

 Andreas Schwan (r.), ist Trainer von Union Nettetal und schreibt in seiner Kolumne über die WM aus Sicht eines Amateurtrainers.

Andreas Schwan (r.), ist Trainer von Union Nettetal und schreibt in seiner Kolumne über die WM aus Sicht eines Amateurtrainers.

Foto: Heiko van der Velden

Ich war bereits mit der Aufstellung nicht ganz glücklich: Niklas Süle rechts und Nico Schlotterbeck in der Innenverteidigung. Ich weiß nicht, ob das gegen Japan die richtige Wahl war. Im Nachhinein sind solche Behauptungen natürlich immer leicht und das Ergebnis gibt nun allen Kritikern recht. Mir haben Süle und Schlotterbeck allerdings schon in der Verteidigung von Borussia Dortmund vor der Winterpause gegen Mönchengladbach (das Spiel endete 4:2 für Gladbach, Anm. d. Red.) nicht gut gefallen.

Ich glaube, dass wir in der Zentrale gegen Japan mehr Stabilität gebraucht hätten – und da sehe ich an der Seite von Antonio Rüdiger eher Süle als Schlotterbeck. Als Rechtsverteidiger ist mir Süle wiederum zu langsam, gerade wenn man auf einen Umschaltgegner trifft. Wenn es um einen Außenverteidiger geht, der aus einer stabilen Defensive auch nach vorne Druck machen soll und ein gewisses Tempo mitbringt, da bin ich auf der rechten Seite eher bei Thilo Kehrer oder Jonas Hofmann.

Wenn man schaut, warum Deutschland das Spiel verloren hat, dann sind für einen Amateurtrainer interessante Aspekte dabei: Von außen bin ich als Trainer, sei es durch Einwechslungen oder Systemumstellungen, immer in der Lage, auf das Spiel Einfluss zu nehmen. Japan ist in dieser Hinsicht ein gutes Beispiel: Beide Tore erzielten Einwechselspieler. Aus den Interviews der deutschen Spieler war zudem herauszuhören, dass man überrascht gewesen sei, dass Japan in der zweiten Halbzeit höher verteidigte und nach dem Rückstand den ursprünglich gewählten Matchplan verändert hat – das ist für mich dann ein top Impuls des Trainers von außen.

Dem deutschen Team sind diese Impulse dieses Mal nicht geglückt. Etwas tiefer und kompakter stehen gegen die schnellen Japaner, den Gegner kommen lassen und dann selbst auf Konter setzen – diese Gedanken wird auch der Bundestrainer gehabt haben. In diesen Momenten trifft man aber nicht immer die richtigen Entscheidungen. Das geht jedem Trainer so.

Für mich geht es nach Niederlagen immer um konstruktive Kritik, man darf die Spieler aber nicht überfrachten. Man kann versuchen, die Schwächen zu schwächen, ich bin aber grundsätzlich auch ein Freund davon, die Stärken zu stärken. Das herauszuheben, was gut geklappt hat, als Lösung und Stütze für das kommende Spiel. Bei der Analyse der Fehler stehen der Nationalmannschaft natürlich ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung als bei uns in Nettetal.

Als Trainer versuche ich aber immer, für Fehler, die passiert sind, Trainingsformen abzuleiten. Die Entscheidungen der Spieler unmittelbar auf den Platz kann ich nicht beeinflussen, ich kann im Vorfeld aber dafür sorgen, dass seine Handlungsmöglichkeiten steigen. Ich kann dem Spieler im Training aufzeigen: Solltest du noch einmal in so eine Situation kommen, bist du mit diesen oder jenen Lösungsweg besser aufgestellt.

Ansonsten sind für mich viele Begegnungen bei dieser WM auf Augenhöhe, es gab bereits einige Remis – oft auch torlos. Die Mannschaften haben offenbar in der Spielvorbereitung sehr gut gearbeitet und für sich die richtigen Schlüsse gezogen, um den Gegner zu neutralisieren. Der Sieg von Saudi-Arabien gegen Argentinien zeigt zudem, dass die Kleinen auch die Großen schlagen können.

Der Spruch „Mentalität schlägt Qualität“ klingt immer etwas plakativ, aber Saudi-Arabien hat immer an sich geglaubt und ist gierig geblieben. Außerdem sieht man an den hohen Siegen von Spanien und England, was eine Topmannschaft braucht: eine brutal gute Offensive mit hoher Qualität im letzten Spieldrittel und eine stabile Defensive. Ich bin gespannt, ob das in der zweiten Runde der Gruppenphase auch so bleibt.

Andreas Schwan ist Trainer des Oberligisten SC Union Nettetal. Während der WM in Katar blickt er in seiner Kolumne regelmäßig aus dem Blickwinkel eines Amateurtrainers auf das Turnier.

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