Kolumne Die WM aus Amateursicht Defensives Denken ist der Schlüssel

Meinung | Fußball · Bei der Weltmeisterschaft schaut auch Amateurtrainer Andreas Schwan von Union Nettetal genau hin. Dieses Mal schreibt er über Experimente mit der Fünferkette, welches System spielstarke Teams bevorzugen und was Deutschland im Vergleich zu anderen Topteams fehlte.

Niklas Süle im Zweikampf gegen Costa Rica.

Niklas Süle im Zweikampf gegen Costa Rica.

Foto: dpa/Christian Charisius

In der ersten Kolumne habe ich ja geschrieben, dass ich die deutsche Mannschaft auch als Fan verfolge – das Ausscheiden ist daher auch für mich enttäuschend. Nach dem WM-Titel 2014 ist es nun das zweite Mal in Folge, dass Deutschland die Vorrunde nicht übersteht. Da muss der Finger in die Wunde gelegt werden. Wenn ich mir insgesamt die deutschen Auftritte angucke, dann waren wir vor allem in der Defensive zu schlecht. Und ich bin der Meinung, dass der unbedingte Wille, die Gier, was man von deutschen Mannschaften schon ganz anders erlebt hat, dieses Mal nicht erkennbar war.

Ich komme später noch einmal auf das deutsche Team zurück, möchte in dieser Kolumne aber grundsätzlich auf die Vorrunde dieser WM eingehen. Ich habe mir die Mühe gemacht und geschaut, welche Mannschaften mit welchen Spielsystemen ins Achtelfinale gekommen sind. Spielstarke Mannschaften wie Frankreich, Argentinien, Frankreich, Brasilien oder Portugal haben bislang zum großen Teil mit Viererkette agiert – sie haben sich also gegen einen dritten Innenverteidiger entschieden, dafür aber für eine Option mehr in der Offensive. Damit hatten sie Erfolg. Es geht dann um das Flügelspiel und das Dribbling zur Bindung von Gegenspielern. Lösungen gegen defensiv kompakt stehende Gegner sind auch bei uns in Nettetal Inhalt der Trainingsarbeit.

Bei fußballerisch limitierten Mannschaften geht der Trend hingegen häufig zur Fünferkette, wie in der deutschen Gruppe bei Japan und Costa Rica. Diese Mannschaften versuchen, hinten stabil zu stehen, eigene Schwächen damit zu kaschieren, dafür aber auf ein anderes Pferd zu setzen: Geschwindigkeit. Japan ist hier wieder ein gutes Beispiel: Sie haben ihr Potenzial erkannt und es gemäß ihren Stärken sehr gut gemacht, obwohl sie individuell gegen Deutschland und Spanien mit Sicherheit schwächer sind. Das ist auch eine Erkenntnis für den Amateurfußball.

So etwas muss allerdings auch immer zur Mannschaft passen. Die Grundfrage ist immer: Weiche ich von meiner gewohnten Spielidee ab und gehe mehr auf den Gegner ein oder ziehe ich mein Spiel durch, egal wer der Gegner ist. Als wir unseren Auswärtssieg beim KFC Uerdingen feiern konnten, haben wir uns im Vorfeld Gedanken gemacht, mit welchem Matchplan wir gegen die spielstarke Offensive agieren. Wir sind dann mit Fünferkette gestartet. Ich habe aber gemerkt, dass das nicht unser Spiel ist, wir von unserer DNA abweichen und habe dann wieder auf das gewohnte 4-4-2 umgestellt.

Was mir in der Vorrunde ebenfalls aufgefallen ist: Mannschaften, die offensiv eine hohe Qualität haben, haben nur dann Erfolg, wenn die Mannschaft defensiv denkt. Brasilien ist bislang dafür ein gutes Beispiel. Konterabsicherung ist ein großes Thema. Ich meine damit das kollektive Verteidigen sowie die Bereitschaft und die Mentalität dazu, um einer offensiven Mannschaft in der Defensive auch Fehler zu verzeihen. Der deutschen Mannschaft ist das nicht gelungen. In der vorherigen Kolumne habe ich von „Mentalität schlägt Qualität“ geschrieben. Das möchte ich nicht revidieren, aber erweitern auf „Mentalität ist Qualität“ – vor allem in der Arbeit gegen den Ball. Das gilt für den Profi- wie auch für den Amateurfußball.

Andreas Schwan ist Trainer des Oberligisten SC Union Nettetal. Während der WM blickt er in seiner Kolumne regelmäßig aus dem Blickwinkel eines Amateurtrainers auf das Turnier.

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