WM-Kolumne von Simon Rolfes Die Führungsspieler sind jetzt gefragt

Düsseldorf · Unser Autor warnt davor, dass sich einzelne Gruppen im deutschen WM-Kader voneinander abkapseln. In einem Turnier hat man keine Zeit, so etwas schleifen zu lassen.

 Als Führungsspielern kommt Toni Kroos (l.) und Mats Hummels bei der Verarbeitung der Auftaktniederlage gegen Mexiko besondere Bedeutung zu.

Als Führungsspielern kommt Toni Kroos (l.) und Mats Hummels bei der Verarbeitung der Auftaktniederlage gegen Mexiko besondere Bedeutung zu.

Foto: imago/Jan Huebner/Jan Huebner/Hufnagel

Der Eindruck aus den Testspielen hat sich bei Deutschlands 0:1 gegen Mexiko leider bestätigt: Es fehlte die letzte Konsequenz, Kompaktheit, Laufbereitschaft und Ordnung. Das hat mich überrascht. Wir waren noch nie Vorbereitungs-Weltmeister. Aber wenn es darauf ankam, haben wir in den vergangenen Jahren doch eine andere Mentalität gezeigt.

Rückschläge gehören aber zum Fußball. Bei der EM 2008 haben wir nach dem Auftaktsieg gegen Polen das zweite Spiel gegen Kroatien verloren. Vor der abschließenden Partie gegen Österreich standen wir richtig unter Druck, haben aber gewonnen und es noch bis ins Finale geschafft. Die mentale Komponente ist jetzt entscheidend.

Damals gab es eine Krisensitzung wie nun in Russland auch. Manchmal ist es hilfreich, etwas ohne den Trainer zu besprechen. Dann muss ausgelotet werden, ob die Probleme atmosphärischer oder taktischer Natur sind - oder es Schwierigkeiten zwischen einzelnen Spielern gibt. In einem Turnier hat man keine Zeit, so etwas schleifen zu lassen, da die nächste Niederlage schon das Aus bedeuten kann.

In der Öffentlichkeit Kritik an Mitspielern zu äußern, ist in Ordnung, aber im nächsten Schritt muss nun der Schulterschluss folgen. Beim DFB-Team ist nun die Achse um Manuel Neuer, Jerome Boateng, Mats Hummels, Toni Kroos, Sami Khedira und Thomas Müller gefordert.

Eine Mannschaft besteht nie aus nur einer Gruppe. Jeder Profi hat Mitspieler, mit denen er besonders gut auskommt. Das ist völlig unproblematisch. Im Misserfolg besteht aber die Gefahr, dass sich diese Gruppen voneinander abkapseln. Wenn das passiert, müssen die Führungskräfte dafür sorgen, dass diese Gruppen wieder zueinanderfinden. Nur gemeinsam kann gegen Schweden der Sieg geholt werden.

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Ein Unentschieden reicht am Samstag wohl nicht. Geht man davon aus, dass Mexiko zuvor Südkorea schlägt, würde beiden Mannschaften am letzten Spieltag ein Remis reichen - und einen Nichtangriffspakt wollen wir nicht erleben. Dass es gegen die Skandinavier aber nicht einfach wird, haben sie in den Play-offs gegen Italien gezeigt.

Ich traue dem deutschen Team zu, noch die Kehrtwende zu schaffen. Es hat die Qualität dazu. Zlatan Ibrahimovic hat gesagt, dass die deutsche Nationalelf keinen großen Superstar hat, aber eine Maschine ist. Und das waren wir immer. In Turnieren haben wir stets gezeigt, dass wir auch in schwierigen Momenten zusammenstehen. Daran glaube ich, aber das erwarte ich auch von den Jungs.

Als Spieler hat mich bei der WM bislang Cristiano Ronaldo am meisten beeindruckt. Seine Tore und sein Streben danach, in jedem Spiel der Beste zu sein, imponiert. Da können sich viele Spieler eine Scheibe von abschneiden. Er ist ein Vorbild für die Jugend: diesen Ehrgeiz zu haben, an große Ziele zu glauben und dafür auch hart zu arbeiten. Manchmal wird er darauf reduziert, ein Showmacher zu sein. Ja, das gehört vielleicht auch zu ihm. Aber zu ihm gehört auch, dass er hart arbeitet, Einsatz und Leidenschaft für den Fußball zeigt. Und, dass er das nach so vielen Jahren, so vielen großen Erfolgen noch immer in jedem Spiel unter Beweis stellt.

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