Wahlkampfhilfe für türkischen Präsidenten? Aufregung um Treffen von Özil und Gündogan mit Erdogan

Berlin · Die deutschen Fußball-Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan stehen wegen eines Fototermins mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan schwer in der Kritik. Gündogan will das Bild jedoch nicht als Wahlkampfhilfe verstanden wissen.

 Recep Tayyip Erdogan, Staatspräsident der Türkei, hält zusammen mit Fußballspieler Mesut Özil vom englischen Premier League Verein FC Arsenal, ein Trikot von Özil.

Recep Tayyip Erdogan, Staatspräsident der Türkei, hält zusammen mit Fußballspieler Mesut Özil vom englischen Premier League Verein FC Arsenal, ein Trikot von Özil.

Foto: dpa/Uncredited

Die Profis ließen sich am Sonntag in London gemeinsam mit dem Politiker ablichten und überreichten ihm Trikots ihrer Klubs Manchester City und FC Arsenal. Diese wurden von Erdogans Partei auf Twitter veröffentlicht.

Özil sendete zudem einen Tweet, der ihn offenbar bei dem Treffen mit Gündogan und dem ebenfalls türkisch-stämmigen Cenk Tosun vom FC Everton zeigt und schrieb auf englisch „in guter Gesellschaft heute Abend“, versehen mit einem zwinkernden Gesicht sowie der deutschen und türkischen Fahne. Auf dem Trikot, das Gündogan an Erdogan überreicht, steht handschriftlich über der Signatur auf türkisch: „Für meinen verehrten Präsidenten - hochachtungsvoll“.

Gündogan hat die Kritik an dem Fototermin zurückgewiesen. In einer Erklärung des 27-Jährigen, die die Bild-Zeitung auf ihrer Homepage veröffentlichte, heißt es: "Es war nicht unsere Absicht, mit diesem Bild ein politisches Statement abzugeben, geschweige denn Wahlkampf zu machen. Als deutsche Nationalspieler bekennen wir uns zu den Werten des DFB und sind uns unserer Verantwortung bewusst. Fußball ist unser Leben und nicht die Politik."

Erdogan, der für die am 24. Juni anstehenden türkischen Präsidentschaftswahlen keinen Wahlkampf in Deutschland machen darf, hielt sich zu diesem Zweck in London auf. Özil und Gündogan sind in Deutschland als Nachfahren türkischer Einwanderer aufgewachsen.

DFB-Präsident Reinhard Grindel kommentierte die Aktion äußerst kritisch. „Der DFB respektiert und achtet selbstverständlich die besondere Situation unserer Spieler mit Migrationshintergrund. Aber der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichend beachtet werden“, schrieb Grindel bei Twitter. Deshalb ist es nicht gut, dass sich unsere Nationalspieler für seine Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen. Der Integrationsarbeit des DFB haben unsere beiden Spieler mit dieser Aktion sicher nicht geholfen.“

Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff ergänzte, er habe "nach wie vor überhaupt keine Zweifel an Mesuts und Ilkays klarem Bekenntnis, für die deutsche Nationalmannschaft spielen zu wollen und sich mit unseren Werten zu identifizieren". Die Mittelfeldstars seien "sich der Symbolik und Bedeutung dieses Fotos nicht bewusst" gewesen: "Aber natürlich heißen wir die Aktion nicht gut und besprechen das mit den Spielern."

Der türkischstämmige Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir kritisierte die beiden Nationalspieler ebenfalls mit deutlichen Worten. "Der Bundespräsident eines deutschen Nationalspielers heißt Frank-Walter Steinmeier, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und das Parlament heißt Deutscher Bundestag", sagte der langjährige Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen dem SID am Montag: "Es sitzt in Berlin, nicht in Ankara."

"Anstatt Erdogan diese geschmacklose Wahlkampfhilfe zu leisten, wünsche ich mir von den Spielern, dass sie sich aufs Fußballspielen konzentrieren", sagte Özdemir. Er riet Özil und Gündogan, "noch einmal die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nachzuschlagen".

Sportpolitisch pikant ist der Auftritt, da die Türkei einziger Konkurrent des Deutschen Fußball-Bundes um die Ausrichtung der EM 2024 ist, die im September von der Uefa vergeben wird. Beide Profis sind fixe Kandidaten für den deutschen WM-Kader, den Bundestrainer Joachim Löw am Dienstag (12.30 Uhr) in Dortmund verkündet.

(dpa/SID)
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