Kolumne Gegenpressing Trainer Magath ist eine schlaue Wahl von Hertha

Berlin · Der Altmeister zieht bei Hertha BSC alle Aufmerksamkeit auf sich. Das lenkt von den vielen Problemen des abstiegsbedrohten Klubs ab. Deshalb ist es eine überlegte Verpflichtung.

Felix Magath – Trainer bei Hertha BSC
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Das ist Felix Magath

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Alles beginnt mit einer Spruchsammlung aus dem Handbuch für Fußball-Feuerwehrmänner. Felix Magath kennt sich da aus. Und deshalb sagte der neue Trainer von Hertha BSC zum Amtsantritt acht Spiele vor Saisonende der Bundesliga: „Es geht nicht um Felix Magath. Es geht um Hertha BSC.“ Und: „Disziplin gehört zum Sport.“ Und: „Meine Aufgabe ist es, am Ende mindestens einen oder zwei Plätze höher zu stehen.“ Und: „Ich habe in verschiedenen Bundesliga-Vereinen die Aufgabe des Feuerwehrmanns übernommen und den Turnaround geschafft.“ Er trug übrigens keinen Helm, als er das sagte.

Von Medizinbällen sprach er nicht. Das hat die Öffentlichkeit ebenso dankbar übernommen wie weitere Hinweise auf seinen Ruf als sprichwörtlicher Schleifer, der sich den Spitznamen „Quälix“ ehrlich verdient hat. Selten wurde eine Amtsübernahme eines Bundesliga-Trainers mit mehr Freude an satirischen Kommentaren begleitet. Im Internet brannte ein wahres Kabarett-Programm ab, das nicht einmal erwiesene Feuerwehrleute wie Magath hätten löschen können. Vielleicht hätte er es gar nicht gewollt, denn er hat ja einen unüberhörbaren Hang zur Ironie.

Vergleichbar ist die Lage nur mit den heiteren Rahmenbedingungen zum Auftakt der Arbeit eines anderen Hertha-Nothelfers. Als Otto Rehhagel sich 2012 mit 73 Jahren noch einmal auf die Bundesliga-Bühne begab, wurde ähnlich fröhlich gespottet. Sein Ziel erreichte Rehhagel übrigens nicht, er stieg nach verlorener Relegation gegen Fortuna Düsseldorf ab.

Das hat Magath natürlich nicht vor. Und er ist ja auch noch viel jünger als Rehhagel damals – fünf Jahre jünger genau. Die Zeit seiner Aufsehen erregenden Erfolge liegt allerdings mächtig lange zurück. Mit den Bayern holte er zweimal das Double aus Meisterschaft und Pokalsieg, mit dem VfL Wolfsburg wurde er Meister, mit Schalke Vizemeister. Das war 2011. Seither ist er durch eher unglückliche Talkshow-Auftritte und kaum beachtete Gastspiele beim FC Fulham und Shandong Luneng Taishan in China in Erscheinung getreten.

Ausgerechnet einem Mann, dessen Zauberkraft erschöpft scheint, vertraut Geschäftsführer Fredi Bobic die Rettungsmission Hertha an. Das kann doch nicht gutgehen, rufen die meisten. Doch, das kann gutgehen. Bei näherer Betrachtung ist es eine ziemlich geschickte Verpflichtung. Magath, das wurde schon diese Woche deutlich, wird fortan die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen mit seltsamen Pressekonferenzen, mit der ihm so eigenen Mischung aus leisem Spott und irritierender Logik, mit seinem Alleinvertretungsanspruch – auch wenn er beim ersten Spiel wegen seiner Corona-Infektion fehlt.

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Foto: dpa/Sven Hoppe

Soziale Probleme in der Mannschaft, großflächige Verstimmungen zwischen Investor Lars Windhorst und der Klubführung mit Präsident Werner Gegenbauer, erregte Diskussionen um die künftige Ausrichtung des selbsternannten Big-City-Klubs, die allgemeine Unruhe im Verein – all das wird in den nächsten Wochen überhaupt keine Rolle spielen. Für acht Spieltage ist Hertha Felix Magath. Mehr Ruhe für alle anderen Akteure im Verein war noch nie.

Fußball-Bundesliga Hertha BSC: Deshalb ist die Verpflichtung von Felix Magath schlau
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Darin liegt die Chance der Berliner – die letzte Chance. Wenn Magath das große Feuer nicht gelöscht bekommt, dann könnte das ganze Haus Hertha abbrennen. Viele Millionen aus den Zuwendungen des Investors sind schon verbrannt. Diese Rechnung wird den Funktionären aufgemacht, wenn Magath scheitert. Denn dann ist es mit der Ruhe vorbei – endgültig.

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