Drei Monate nach dem Fall Rafati Schiedsrichter fordern mehr Respekt

Frankfurt/Main · Die heiße Phase hat begonnen, und schon haben die Protagonisten ihr Gelöbnis für einen besseren Umgang mit den Schiedsrichtern der Fußball-Bundesliga anscheinend wieder vergessen. Fast drei Monate nach dem Selbstmordversuch von Babak Rafati nimmt derzeit vor allem Rekordmeister Bayern München die Leistungen der Schiedsrichter aufs Korn. Der Tenor: gepfiffen werde recht "eigenartig". Weitere Vorfälle aus den vergangenen Tagen bestätigen, dass sich offenbar nicht viel geändert hat.

Chronologie zu Babak Rafatis Selbstmordversuch
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Foto: dapd, Thomas Lohnes

"Eines ist ganz klar: Dass die Schiedsrichter im Zweifelsfall immer gegen Bayern pfeifen, weil sie dann die ganze Woche Ruhe haben. Unsere Fans nehmen Fehlentscheidungen sehr gut hin, die Fans anderer Vereine machen Telefonterror bei den Schiedsrichtern. Deshalb pfeifen sie im Zweifelsfall immer gegen Bayern", sagte Hoeneß im Gespräch mit Sky Sport News HD.

Das Thema hatte Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge am Mittwoch in die Welt gesetzt. "Mir fällt auf, dass die Schiedsrichter im Moment eigenartig pfeifen. Wenn beispielsweise der Herr Kircher in Hamburg ein korrekt erzieltes Tor gibt, dann hätten wir erst gar nicht die Tabellenführung eingebüßt. Man hat manchmal den Eindruck, dass es heißt: Im Zweifelsfall kontra Bayern!", hatte er der Sport Bild gesagt und damit den Druck erhöht.

Wenig Verständnis für die Vorwürfe hat Lutz Michael Fröhlich, Abteilungsleiter der Referees im Deutschen Fußball-Bund (DFB). "Es ist grundsätzlich sicher nicht förderlich, Schiedsrichter-Kritik über die Medien zu platzieren. Viel wichtiger ist, dass miteinander und weniger übereinander gesprochen wird", sagte Fröhlich am Donnerstag dem Sport-Informations-Dienst (SID). Knut Kircher (Rottenburg) wehrte sich ebenfalls gegen die Kritik des Bayern-Chefs. "Ganz klar: Ich pfeife ganz sicher nicht bewusst gegen Bayern München und auch sonst gegen keinen Verein", verdeutlichte er bei Spiegel online.

Auch in der Liga wird die Schelte aus München mit Verwunderung aufgenommen. Trainer Jürgen Klopp von Meister Borussia Dortmund meinte beim Abo-Sender Sky Sport News: "Ich bin jetzt 44 Jahre alt, gucke seit meinem sechsten Lebensjahr Bundesliga, aber dieses Gerücht habe ich, ehrlich gesagt, noch nie gehört. In all den Jahren, in denen ich Fußball beobachte, ist mir dies noch nicht aufgefallen. Aber die Bayern werden genauer hinsehen. Möglicherweise ist das so und ich habe das nicht mitbekommen. Kann auch sein."

"Dass die Bayern benachteiligt werden, kann ich nicht unterschreiben. Es gab ja auch mal die umgekehrte Diskussion, dass die Schiedsrichter im Zweifel für sie pfeifen. Ich finde: Die Schiris machen einen sehr guten Job", sagte Gladbachs Manager Max Eberl der Bild-Zeitung. Der Mainzer Manager Christian Heidel glaubt das "so ja mal gar nicht. Es ist doch vielmehr so, dass der Aufschrei umgekehrt immer groß ist."

Auf jeden Fall ist der Aufschrei unverändert groß, wenn gegen die eigene Mannschaft entschieden wird. Hertha BSC Berlin und Eintracht Frankfurt schossen sich zuletzt heftig auf einen Schiedsrichter ein: Beide Teams stellten Fifa-Referee Felix Brych (München) wegen diskutabler Entscheidungen an den Pranger. Die Berliner, weil Brych beim Pokal-Aus gegen Mönchengladbach einen angeblichen Kopfstoß von Roman Hubnik gegen Igor de Camargo mit Roter Karte und Strafstoß bestraft hatte. Die Frankfurter, weil Brych beim Spitzenspiel in Düsseldorf am Montag kurz vor Schluss nach Hinweis des Assistenten Jan-Hendrik Salver einen Elfmeter gepfiffen hatte.

Die Bundesliga-Schiedsrichter stören sich daran, dass Spieler, Trainer und Manager mit ihren Aussagen den Druck auf die Referees bisweilen künstlich erhöhen, um von eigenen sportlichen Problemen abzulenken. "Ich vermisse den gegenseitigen Respekt, wenn sich ein Trainer aufführt wie Rumpelstilzchen und das ganze Stadion gegen den Schiedsrichter aufbringt", sagte Kircher.

(sid)
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