Duisburg Der tiefe Sturz des MSV

Duisburg · Der Pokalfinalist aus Duisburg steckt in der Zweiten Liga im Abstiegskampf. Doch nicht nur die neu formierte Mannschaft gibt ein schlechtes Bild ab. Der Klub steht vor Scherben, die kaum noch zu kitten sind.

Am 21. Mai gab es mal wieder einen Höhepunkt in der wechselvollen Geschichte des MSV Duisburg: Pokalfinale gegen den Fußball-Bundesligisten FC Schalke im Berliner Olympiastadion. 35 000 Duisburger mussten sich nicht lange grämen, weil ihre Mannschaft auch wegen unglaublichen Verletzungspechs mehrerer Stammspieler mit 0:5 verloren, aber dennoch Sympathien gewonnen hatte.

Ein halbes Jahr später ist der MSV abgestürzt. Der Zweitligist steht auf dem (Abstiegs-) Relegationsplatz, nachdem der Start mit 15 neu verpflichteten Spielern im Desaster mündete. Führungsschwäche, gegenseitige Vorwürfe und Machtkämpfe innerhalb der Vereinsspitze gipfelten in einer Schlammschlacht, wie sie es in Duisburg noch nie gegeben hat. Der MSV steht vor Scherben, die kaum noch zu kitten sind. Der Fahrstuhl, der in den vergangenen Jahren mehrmals zwischen Erster und Zweiter Liga pendelte, ist im freien Fall und scheint nicht mehr aufzuhalten.

Wie tief die Gräben sind, zeigte die Personalie Edmund Baer. Der Stadtwerke-Vorstand war vom Vorsitzenden Dieter Steffen als Nachfolger des zurückgetretenen Thomas Kretschmer vorgeschlagen worden. Aber der für die Besetzung des Vorstandes zuständige e.V.-Aufsichtsrat unter Leitung von Sparkassen-Chef Hans-Werner Tomalak lehnte Baer mehrheitlich ab. Vorläufiger "Höhepunkt" der verheerenden Außendarstellung war die Unterstellung Steffens, Tomalak habe den Sparkassen-Mitarbeiter Kretschmer angewiesen zurückzutreten.

Das scharfe Dementi Tomalaks und der energische Widerspruch Kretschmers kamen umgehend. Es fielen Worte wie "unverschämt" und "bösartig". Bis zum 25. November müsste ein zweiter Kandidat vorgeschlagen werden. Wenn nicht, ist der nur noch zweiköpfige Vorstand am Ende.

Trainer Milan Sasic wegen ausbleibender Erfolge nach dem Pokal-K.o. beim Regionalligisten Kiel entlassen, der Vorstands-Rücktritt, die Ernennung des früheren Spielers Ivo Grlic zum Sportdirektor, die von Grlic, Geschäftsführer Roland Kentsch und mit dem Aufsichtsrat der Profibetriebgesellschaft getroffene Entscheidung, Oliver Reck zum Sasic-Nachfolger zu befördern, den Vertrag als Torwarttrainer aber unverändert zu lassen (Grlic: "Aber er hat unser Vertrauen") – Stationen einer schweren Krise, die hausgemachter Art ist. Von eitel Sonnenschein im Mai bis zum 14. Spieltag dieser Saison häuften sich düstere Wolken über der Schauinsland-Arena. Statt Führungsstärke und Ruhe in der Not herrscht hektische Betriebsamkeit.

Das längst überfällige Aufrücken des Ex-Kapitäns der Nationalmannschaft und MSV-Ikone Bernard Dietz in den Aufsichtsrat der Profis war nur ein Lichtblick. Ein zweiter: Geschäftsführer Kentsch wies bei der Bilanzpressekonferenz fast zwei Millionen Euro Gewinn aus – positive "Nachwirkungen" des für einen Verein wie den MSV hoch attraktiven Pokalgeschäfts. Aber prompt kam der sorgenvolle Ausblick. Kentsch rechnet mit Auflagen der Deutschen Fußball-Liga (DFL) nach der gerade laufenden zweiten Lizenzierung.

Ausbleibende Pokaleinnahmen nach dem unerwarteten Aus beim Viertligisten aus Kiel und fehlende Fernsehgelder (die Höhe hängt vom Tabellenplatz ab) summieren sich nach Einschätzung des Geschäftsführers zu einer siebenstelligen Summe. Da wird im Umfeld gar von einem drohenden Punktabzug gemunkelt.

(RP)
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