Letzte WM für den Niederländer Darts-Legende Raymond van Barneveld dankt ab

London · Es gibt nicht viele Sportler, die in ihrem Land eine Sportart so geprägt haben. Raymond van Barneveld löste mit seinen Erfolgen in den Niederlanden einen regelrechten Dartsboom aus. Nun spielt der 52-Jährige seine letzte WM - anschließend beendet er seine Karriere.

 Raymond van Barneveld.

Raymond van Barneveld.

Foto: Anne Orthen (ort)/Orthen, Anne (ort)

Es war der erste Januar 2007, als Raymond van Barneveld auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen war. Bei der letzten Weltmeisterschaft, die in der legendären „Circus Tavern” in Purfleet ausgetragen wurde, gewann der Niederländer ein episches Finale gegen Phil Taylor und setzt sich die Krone der Professional Darts Corporation (PDC) auf. Gegen den Phil Taylor, der elf der vergangenen zwölf Weltmeisterschaften gewonnen hatte, gegen den Phil Taylor, der seinen Titel verteidigen wollte. Nachdem sich der Herausforderer aus Den Haag bei seiner ersten PDC-WM in der zweiten Runde gegen den damaligen topgesetzten Colin Lloyd durchgesetzt hatte, spielte er sich in einen Rausch. Im Achtel-Viertel- und im Halbfinale gab er jeweils keinen Satz ab, siegte 4, 5 und 6:0. Und im Endspiel lieferten sich die Kontrahenten schließlich einen Kampf bis zum Schluss, erst im Entscheidungsleg triumphierte van Barneveld. Er profitierte davon, dass Taylor seinen Pfeil im unteren 25er-Segment stecken ließ, als es darum ging, wer das abschließend Leg beginnen durfte. So legte „Barney” seinen Pfeil oben drauf, traf das „Bulls Eye” und hatte so den entscheidenden Vorteil.

Es war das Duell, auf das die gesamte Darts-Gemeinde hingefiebert hatte. Und sie wurde nicht enttäuscht. Denn van Barneveld war erst Anfang des Jahres 2006 zur PDC gewechselt, vorher spielte er bei der British Darts Organisation (BDO), dem konkurrierenden Verband. Dort hatte „Barney” sich in den Jahren zuvor eine Vormachtstellung erspielt, die zwar nicht ganz so beherrschend war wie die von Taylor bei der PDC, trotzdem war van Barneveld dort der dominierende Spieler. Vier Mal sicherte er sich dort den Weltmeistertitel (1998, 1999, 2003 und 2005). Durch diese Erfolge erlangte er in der niederländischen Bevölkerung schnell den Status eines Superstars. „Als ich 1998 das erste Mal Weltmeister wurde, sah das bei meiner Rückkehr aus wie bei den Beatles - es waren extrem viele Menschen wegen mir am Flughafen. Das war unglaublich”, sagte er 2016 in einem Interview.

Seine Bekanntheit, bedingt durch die Titel, lösten besonders bei der niederländischen Jugend eine Begeisterung für den Sport aus, den so manch einer immer noch mit verrauchten Kneipen, übermäßigem Alkoholkonsum und dickbäuchigen Männern verbindet. Die kräftigen Körper sind geblieben, doch Darts ist inzwischen Leistungssport. Angeführt wird die Szene heute von Michael van Gerwen, der seit einigen Jahren dominiert. Van Gerwen ist Niederländer, Jahrgang 89. Neben ihm gibt es eine Reihe weiterer junger Niederländer, die alle zu der Zeit aufwuchsen und mit dem Darts in Berührung kamen, als van Barneveld seine größten Erfolge feierte. Jermaine Wattimena (Jahrgang 88/Weltranglistenplatz 18), Jeffrey de Zwaan (96/23) und Danny Noppert (90/31) gehören zu den gesetzten Spielern bei der WM und können den Durchbruch in die erweiterte Weltspitze schaffen. Jelle Klaasen (84/48) war bereits Weltmeister bei der BDO, aktuell ist er wie Benito van de Pas (93/59) weit weg von den gezeigten Topleistungen. Ron Meulenkamp (88/51) und Jan Dekker (90/57) sind ebenfalls bei der WM dabei, warten aber noch auf ihren großen Durchbruch.

Raymond van Barneveld versammelt eine riesige Fanbase hinter sich. Die „Barney Army” ist immer lautstark vertreten, wenn der 52-Jährige am Oche steht. Egal, ob in den Niederlanden, in Deutschland oder auf der britischen Insel, der ehemalige Postbote aus Den Haag gehört überall zu den Publikumslieblingen. Sein eleganter und gefühlvoller Wurfstil wurde zu seinem Markenzeichen, wenn er zu seiner Einlaufmusik „Eye of the Tiger” die Bühne betritt, tobt die Halle. Er war der erste Spieler, dem bei einer WM das perfekte Spiel, der „9-Darter” gelang. Bei der WM 2009 nahm er seinen historischen Erfolg relativ cool zur Kenntnis, bei der WM ein Jahr später brach es nach dem zweiten Neuner gegen Brandon Dolan aus ihm heraus. Wie ein kleines Kind riss er die Arme nach oben und hüpfte umher, die pure Freude stand ihm ins Gesicht geschrieben. Es sind Momente wie diese, die „Barney” in der Szene unvergessen machen, Momente, die für die Ewigkeit bleiben.

Das Niveau vergangener Tage bringt van Barneveld schon länger nicht mehr auf die Bühne, zumindest nicht in der Konstanz wie noch vor gut zehn Jahren. Das macht sich auch in der Weltrangliste bemerkbar. „Barney” ist aus den Top 32, die bei der WM gesetzt sind und in der zweiten Runde eingreifen, herausgefallen, rangiert nur noch auf Position 40. Deshalb muss er bei seiner letzten WM schon in der ersten Runde eingreifen. Übersteht er das Duell mit Darin Young, wartet sein Landsmann de Zwaan. In der dritten Runde würde er wahrscheinlich auf Top-10-Spieler Dave Chisnall oder auf Vincent van der Voort, einen weiteren Niederländer, treffen. Danach würden wohl Kaliber wie Peter Wright, WM-Finalist von 2014, und Rob Cross, Weltmeister von 2018, warten.

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Foto: dpa/Mike Egerton

Der Weg im Wettbewerb ist also steinig, doch van Barneveld kann befreit aufspielen. Schon lange steht fest, dass dies sein letztes Turnier sein wird. Dieses Mal wirklich. Ende März 2019 unterlag er Michael van Gerwen mit 1:7 in der Premier League. Aus Frust und Enttäuschung erklärte er vor laufenden TV-Kameras seinen Rücktritt, keine 24 Stunden später revidierte er seine Entscheidung. Er habe aus der Emotion heraus gehandelt, erklärte der fünffache Weltmeister. So wie er in den vergangenen Jahren häufig auf schlechtere Leistungen reagierte. Der Kopf senkte sich nach unten, die Schultern hingen schlaff. Durch diese Körpersprache signalisierte er häufig Resignation. Ein letztes Mal heißt es nun: Schultern zurück, Brust raus und volle Konzentration. „Barney” möchte sich gebührend verabschieden. Und trotz der schwierigen Auslosung könnte es weit gehen. Denn eins ist sicher: Wenn er in seinen Rhythmus kommt, kann er immer noch jeden schlagen. Besonders mit der „Barney Army” im Rücken.

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