Unruhe in der Truppe Was ist nur mit der Bundeswehr los?

Berlin · Ein Übergriff unter Marinesoldaten in Beirut und ein Proteststurm gegen einen Minister-Appell sorgen in der Truppe für Unruhe.

Im Hafen von Beirut zerren deutsche Marinesoldaten einen Vorgesetzten aus der Koje, fesseln ihn und pinseln "Hier wohnen die Mongos" auf sein Bein. In Berlin kritisiert der Bundeswehrverband den Verteidigungsminister als "Oberlehrer" und verbittet sich, dass dieser die Truppe "demütigt". Beim Afghanistan-Einsatz verwechselt Thomas de Maizière (CDU) die Zahl der US-Soldaten mit der Gesamtstärke des Kontingentes. Drei Vorkommnisse, eine Frage: Was läuft schief bei der Bundeswehr?

Im Verteidigungsausschuss kann sich niemand einen Reim darauf machen. Der Vorfall in Beirut zumindest scheint schnell geklärt: Offenbar hatte der Vorgesetzte die Soldaten selbst zuvor schikaniert und ihnen ihre Kojen mit der Bemerkung zugewiesen, dass dort die "Mongos" schliefen. Wegen Platzmangels musste er dann selbst mit in den Raum, und da passierte die "Rache". Mit Rassismus habe das nichts zu tun, versicherte das Ministerium, mehr mit "zwischenmenschlicher Gemengelage". Und "Mongo" stehe in der Jugendsprache für "Idiot". Die Marineführung kündigte hartes Durchgreifen an.

Wo die militärische Führung kaum durchgreifen kann, das ist der Proteststurm, der sich in der Bundeswehr und um sie herum gebildet hat, seit ihr oberster Dienstherr die Soldaten per Interview aufforderte: "Hört auf, dauernd nach Anerkennung zu gieren." Ob man ihn falsch verstanden habe, fragte de Maizières Heimatsender MDR nach. Doch der CDU-Politiker versicherte, er sei nicht missverstanden worden. Ein Tadel mit Anlauf also, eine gewollte Provokation?

De Maizière ist bekannt dafür, niemandem nach dem Mund zu reden und sich auch schon mal vehement gegen Tagesstimmungen zu stemmen. Als die Forderungen nach Intervention in Syrien lauter wurden, kanzelte er das als "Dampfgeplauder irgendwelcher Kaffeehausintellektueller" ab. Da fühlten die Soldaten größte Rückendeckung. Sie wussten: Dieser Minister schickt sie nicht in lebensgefährliche Einsätze, nur weil der Politik nun mal gerade danach ist. Dass er nun die Soldaten selbst an die Kandare nimmt, ist ein völlig neuer Ton.

"Wenn ein Dienstherr seinen Leuten etwas sagen will, dann soll er es tun, aber ich glaube nicht, dass dies das richtige Format und die richtigen Worte waren", sagt Grünen-Bundeswehrexperte Omid Nouripour. Doch de Maizière steht weiter dazu. Aufforderungen, sich zu entschuldigen, lässt er durch seinen Sprecher als "absolut absurd" zurückweisen. Stattdessen verweist er darauf, dass die Soldaten längst große Wertschätzung bekämen, und zwar "besser, als das oft von innen aus der Bundeswehr wahrgenommen" werde.

Auch eine andere Variante wird in politischen Kreisen in Berlin kolportiert. De Maizière, Merkels Mann für größte Aufgaben, habe die von seinem Vorgänger fast vor die Wand gefahrene Bundeswehr-Reform inzwischen gestemmt, alle wichtigen Weichenstellungen erledigt, und langweile sich nun, weil er einfach unterfordert sei. Andererseits unterstreicht er auch in internen Besprechungen, wie sehr ihm dieses Amt liege, und welche Chancen zur Gestaltung er hier habe. Offenbar hat er sich vorgenommen, nun das Binnenklima neu zu gestalten.

(may-)
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