Umstrittener Auftritt des Kanzlerkandidaten Steinbrück brüskiert Italiener - Präsident Napolitano sagt Treffen ab

Berlin · Der SPD-Kanzlerkandidat bezeichnet Berlusconi als "Clown mit besonderem Testosteron-Schub".

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat mit einer kritisch-saloppen Äußerung über den Wahlausgang in Italien für einen diplomatischen Eklat gesorgt. "Bis zu einem gewissen Grade bin ich entsetzt, dass zwei Clowns gewonnen haben", sagte Steinbrück am Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung in Potsdam. Er spielte damit auf den früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und den Berufskomiker Beppe Grillo an, die beide Wahlerfolge erzielten. Berlusconi sei "definitiv ein Clown mit einem besonderen Testosteron-Schub".

Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano sagte daraufhin ein für gestern geplantes Treffen mit Steinbrück im Berliner Hotel "Adlon" ab. Steinbrück führte zwar "ein klärendes Telefongespräch" mit dem Staatspräsidenten. Ob das Treffen nachgeholt wird, blieb aber offen.

Union und FDP nahmen den Vorfall zum Anlass, Steinbrück scharf anzugreifen: "Erneut hat sich Herr Steinbrück gegenüber einem Partnerland beleidigend geäußert und schadet damit dem Ansehen Deutschlands", sagte Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff. Die Äußerungen qualifizierten Steinbrück "fürs Unterhaltungsfernsehen, aber nicht fürs Kanzleramt", sagte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

Ein möglicher Bundeskanzler Steinbrück könnte womöglich mit den von ihm als "Clowns" bezeichneten Politikern Grillo oder Berlusconi am Verhandlungstisch sitzen. Es ist nicht auszuschließen, dass einer der beiden einer neuen italienischen Regierung angehört. Das Mitte-links-Bündnis des Wahlsiegers Pier Luigi Bersani braucht zum Regieren entweder Grillo oder Berlusconi als Koalitionspartner, sollte es nicht zu Neuwahlen kommen.

Steinbrück hat schon als Finanzminister im Ausland mitunter für Verstimmung gesorgt. Die Schweiz hatte er gegen sich aufgebracht, weil er den Eidgenossen wegen der Weigerung, das Bankgeheimnis aufzuweichen, mit der Kavallerie drohte. Steinbrück wollte gestern nichts zurücknehmen: "Gesagt ist gesagt."

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger warnte indes mit Blick auf das Wahlergebnis vor Weimarer Verhältnissen in Europa. "Eine überzogene Sparpolitik destabilisiert die Demokratie. Wir haben das in Deutschland unter Reichskanzler Brüning erlebt", sagte Bofinger. "Das italienische Wahlergebnis ist ein Warnsignal, das man nicht übersehen sollte", sagte der Ökonom.

(mar)
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