Paris Soll Peter Hartz Frankreich reformieren?

Paris · Hartz-Reformen à la française? Ein angeblicher Beraterauftrag sorgt vor dem Hintergrund hoher französischer Arbeitslosenzahlen für Wirbel. Noch dementiert der Elysée-Palast. Aber ein Treffen mit dem Präsidenten gab es.

Die Nachricht aus Deutschland ließ die Franzosen gehörig aufschrecken: Wollte sich Präsident François Hollande in seinem desolaten Kampf gegen die steigende Arbeitslosigkeit tatsächlich von Peter Hartz inspirieren lassen, dem einstigen Berater von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und "Vater der deutschen Reformen", wie sie hier sagen? Das hatte zumindest die "Saarbrücker Zeitung" berichtet. In Frankreich löste die Nachricht sogleich große Unruhe aus – so groß, dass der Elysée-Palast rasch abwiegeln musste.

Mit Blick auf Hartz erklärte der politische Berater Hollandes, Aquilino Morelle: "Ich dementiere, dass er sein Berater ist oder im Begriff ist, es zu werden." Allerdings bestätigte er, dass es durchaus ein Treffen der beiden gegeben habe: "François Hollande hat ihn vor zwei Monaten zu einem informellen einstündigen Gespräch empfangen", sagte Morelle und fügte an, dass die Unterredung auf Hartz' Bitte hin erfolgt sei. Dieser habe den Präsidenten zu einem Kolloquium einladen wollen.

Zwar hatte sich Hartz selbst zu dem Gespräch mit Hollande offenbar gar nicht geäußert, sondern lediglich erklärt, über den Thinktank "En Temps Réel" mit dem Elysée in Kontakt zu stehen – eine Pariser Denkfabrik, die Wissenschaftler, Unternehmer sowie Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft vereint. Die Gerüchteküche heizten aber auch französische Politiker wie Arbeitsminister Michel Sapin an. Der hatte im französischen Hörfunk eine offizielle Beratertätigkeit von Hartz zwar ebenfalls ausgeschlossen, aber erklärt: "Dass wir ihn anhören, dass wir mit ihm sprechen, dass wir seine Erfahrungen betrachten – all das scheint mir das Mindeste zu sein."

Die entsetzten Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: "Der Typ ist grauenvoll, er ist es, der die deutschen Arbeiter ruiniert hat", wetterte der flamboyante Chef der Linksfront, Jean-Luc Mélenchon, noch bevor der Wahrheitsgehalt der Meldung überhaupt verifiziert war. Der Chef der Gewerkschaft CGT, Thierry Lepaon, wiederum beschimpfte Hartz als "Vater der Ein-Euro-Jobs". Präsident Hollande müsse "aufhören, am Rockzipfel von Angela Merkel zu hängen und stets von anderen Lehren anzunehmen".

Während Frankreichs Linke vor allem die negativen Auswirkungen der Hartz-Reformen hervorhebt, loben Wirtschaftsvertreter und konservative Politiker ihren Beitrag zum Aufschwung des deutschen Nachbarlands. Experten mahnen die sozialistische Führung schon seit Langem, dem Vorbild Deutschlands zu folgen. Seit Neuestem scheint Hollande für diese Vorschläge auch offener zu sein.

Auf einer großen Pressekonferenz Mitte Januar bezeichnete sich der bisher eingefleischte Sozialist ausdrücklich als "Sozialdemokrat" und stellte erstmals einen wirtschaftspolitischen Kurswechsel in Aussicht: In einem "Pakt der Verantwortung" versprach Hollande, die französischen Unternehmen stärker bei den Arbeitskosten zu entlasten und mit diesen im Gegenzug eine tiefgreifende Arbeitsmarktreform anzupacken. Ähnlich wie Schröder im Jahr 2003 reagiert auch Hollande aus der Not heraus. Die Regierung stößt mit ihren bisherigen Rezepten an ihre Grenzen, das belegen auch die jüngsten Arbeitslosenzahlen. Dabei hatte Hollande eigentlich versprochen, die Kurve des schier unaufhaltsamen Anstiegs bis Ende 2013 umzukehren. Dieses Ziel hat der Präsident gründlich verfehlt.

"Arbeitslosigkeit – das Scheitern" titelte gestern die französische Presse und warf Hollande vor, seine Wette verloren zu haben. Die konservative UMP sprach von einer "saftigen Ohrfeige" für die Regierung, Parteichef Jean-François Copé forderte den Arbeitsminister gar zum Rücktritt auf. Nur die französischen Sozialisten vermochten den Zahlen noch etwas Positives abzugewinnen: Hollande selbst sprach von einer Stabilisierung.

(RP)
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