Fast 400 Millionen Euro Minus Rekorddefizit der Pflegeversicherung

Bonn (rpo). Ein "beängstigender" Einnahmerückgang hat der Pflegeversicherung den größten Verlust ihrer kurzen Geschichte beschert. Insgesamt belief sich das Minus im vergangenen Jahr auf 380 Millionen Euro.

Der Präsident des Bundesversicherungsamtes, Rainer Daubenbüchel, sprach am Montag in Bonn von einem beängstigenden Beitragsdefizit als Folge der schlechten Konjunktur und der hohen Arbeitslosigkeit. Während die Bundesregierung keinen Grund zur Sorge sieht, verlangten Opposition und Arbeitgeberverband rasche Sanierungsmaßnahmen.

"Die Ausgaben sind 2002 um 501 Millionen Euro gestiegen, die Beitragseinnahmen aus Erwerbseinkommen gleichzeitig aber um 90 Millionen gesunken", sagte Daubenbüchel. Nach Ansicht des Behördenchefs besteht dennoch "kein Grund zur Panik". Selbst wenn die schlechte Entwicklung des vergangenen Jahres in diesem Jahr so weitergehen würde, könnte der derzeit gültige Beitragssatz noch gut fünf Jahre gehalten werden.

Auch Gesundheitsministerin Ulla Schmidt verwies darauf, dass die Pflegeversicherung auf einem "soliden Finanzpolster" in Höhe von knapp fünf Milliarden Euro stehe. Gesetzlich vorgeschrieben seien 2,2 Milliarden Euro. Der Ausgabenüberhang von 380 Millionen Euro sei zudem weniger als zunächst angenommen, sagte eine Ministeriumssprecherin in Berlin.

Laut Daubenbüchel sind auch die demographische Entwicklung und der zunehmende Trend zur stationären Versorgung Pflegebedürftiger Ursachen des hohen Ausgabenüberhangs. Die Zahl der Pflegefälle sei von 1,5 Millionen im Jahr 1996 auf 1,8 Millionen im Jahr 2001 gestiegen. Die Zahl der stationären Fälle habe sich zugleich von 385.000 auf 578.000 erhöht. Wenn es nicht gelinge, die Einnahmen der Versicherung aus Erwerbseinkommen deutlich zu erhöhen, drohe ein höherer Beitragssatz.

Noch zehrt die Pflegeversicherung vom gesetzlich vorgeschriebenen Finanzpolster, das 1995 im Jahr der Gründung angesammelt worden war. Damals wurden zunächst drei Monate lang Beiträge eingezogen, ohne dass Leistungen gezahlt werden mussten. Die derzeitige Finanzreserve beträgt laut Daubenbüchel rund 4,86 Milliarden Euro.

Eine völlige Privatisierung der Pflegeversicherung lehnte Gesundheitsministerin Schmidt ab. Mögliche Änderungen hingen von den Vorschlägen der Rürup-Kommission ab, sagte ihre Sprecherin. Es bedürfe aber keiner Änderung an den Grundsätzen. Nach einer Vorlage aus der Rürup-Kommission soll dagegen private Vorsorge an die Stelle der Pflegeversicherung treten. Anrecht auf Pflegeleistungen aus öffentlichen Kassen hätten dann nur nur noch Bedürftige.

Der hohen Kosten wegen will die CDU/CSU Pflegeversicherung und gesetzliche Krankenversicherung zusammenlegen. Unionssozialexperte Horst Seehofer (CSU) sagte der Berliner "Tageszeitung" (Dienstagausgabe), wenn Rot-Grün diesen Vorschlag nicht berücksichtige, "werden wir darauf dringen". Der stellvertretende FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle forderte den Aufbau einer ergänzenden kapitalgedeckten Säule für das Pflegerisiko.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt verlangte in der Tageszeitung "Die Welt" (Dienstagausgabe) eine umfassende Reform der Pflegeversicherung. Nach seinen Worten sollte die unterste Stufe der Pflegebedürftigkeit schrittweise auslaufen beziehungsweise der Eigenverantwortung des Einzelnen überlassen werden.

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