Washington Punktsieg für Romney im TV-Duell

Washington · Der Herausforderer wirkte bei der ersten von drei Fernseh-Debatten der Präsidentschaftskandidaten frisch und angriffslustig, zeigte demonstrativ Mitgefühl für eine arbeitslose Frau. Der Amtsinhaber machte einen müden, angespannten Eindruck, deckte aber Widersprüche bei seinem Rivalen auf.

Am Ende bietet die Bühne fast harmonische Bilder. Die Frauen der beiden Debattenredner, Michelle Obama und Ann Romney, eilen zu ihren Männern, vier von Mitt Romneys fünf Söhnen kommen hinzu, einige begleitet von ihren Kindern. Es wird dauergelächelt, Hände werden geschüttelt, ein Witz sorgt für einen Moment scheinbar ausgelassener Heiterkeit.

Die Körpersprache nach dem 90-Minuten-Marathon in der Magness Arena, der Sporthalle der Universität Denver sagt alles: Mit sicherem Gespür für die Stimmung im Land sind die Hauptdarsteller mitsamt Familien darauf bedacht, nur ja nicht wie verbiesterte Streithähne zu wirken, wo doch die Wähler der Mitte den zivilisierten Ansatz flexibler Problemlöser fordern. Schon zu Beginn hatte Romney den Obamas freundlich zum 20. Hochzeitstag gratuliert, wenn auch mit einem satirischen Schlenker: "Glückwunsch, Herr Präsident. Ich bin sicher, das war der romantischste Ort, den Sie sich vorstellen konnten – hier mit mir."

Weder der Amtsinhaber noch sein Herausforderer vermochten den entscheidenden verbalen Schlag zu landen, der den anderen wirklich schlecht aussehen ließ. Allerdings waren sich die Beobachter hinterher weitgehend einig: Nach Punkten hatte Romney gewonnen. "Noch vor einer Woche sah es so aus, als wäre die Sache gelaufen, jetzt haben wir wieder ein echtes Rennen", sagt David Gergen, Chefkommentator bei CNN. Und James Carville, legendärer Wahlkampfberater Bill Clintons, bringt es wie so oft genau auf den Punkt. "Romney merkte man an, wie sehr er darauf brannte, dort oben zu stehen. Bei Obama war das nicht zu spüren."

Der Ablauf hatte viel mit der Ausgangslage zu tun. Romney liegt in den Umfragen zurück, ergo musste er versuchen, das Blatt zu wenden. Ob es ihm gelang, werden die Meinungsforscher erst in ein paar Tagen wissen. Beim Online-Wettbüro Intrade sanken nach der Debatte Obamas Chancen auf eine zweite Amtszeit von 74 auf 66 Prozent.

Jedenfalls wirkte der 65-jährige Republikaner angriffslustiger, wacher als sein um 14 Jahre jüngerer Rivale. Nichts von dem Steifen, Roboterhaften, das manche seiner Kampagnenauftritte prägte. Der kalte Sanierer, der im kleinen Großspenderkreis in Florida erklärte, er kümmere sich nicht weiter um jene 47 Prozent der Amerikaner, die staatliche Leistungen empfangen – er gab demonstrativ den Mitfühlenden (und Obama griff das 47-Prozent-Thema nicht auf). Romney schlug die ungewohnten Töne zum Beispiel an, als er von der arbeitslosen Frau in Dayton, Ohio, erzählte, die ihn am Arm gepackt und um Hilfe angefleht habe.

Obama dagegen erinnerte bisweilen an einen Mann, der es in der Machtblase des Oval Office verlernte, schnell und präzise auf Widerspruch zu reagieren. In dem verkrampften Bemühen, nur ja keine Fehler zu machen, wirkte er wie ein Defensivspieler, obendrein müde und angespannt, als läge ein zu langer, zu harter Arbeitstag hinter ihm.

Inhaltlich drehte sich alles um die Wirtschafts- und Finanzpolitik, vor allem um das Thema Steuern. Während Romney verspricht, für alle Einkommensgruppen die Steuersätze zu senken und Schlupflöcher zu schließen, sieht Obama die Grundrechenarten auf fahrlässige Weise ignoriert. Nach Romneys Blaupause, so der Staatschef, müsste der Fiskus auf fünf Billionen Dollar an Einnahmen verzichten, was das 16-Billionen-Defizit der USA noch mehr ausufern ließe. Woraufhin der Herausforderer kategorisch verneint, dass er an solche Summen überhaupt denke. "Schauen Sie", kontert er launig, "ich habe fünf Söhne. Ich kenne mich aus mit Menschen, die nicht immer die Wahrheit sagen und es dennoch wiederholen und hoffen, dass ich es irgendwann glaube." Nein, er werde Gutverdienende nicht entlasten, betont Romney. Darauf Obama: "Seit 18 Monaten erzählt er uns von seinem Steuerplan, und nun, fünf Wochen vor der Wahl, sagt er, seine große, kühne Idee lautet: Es war nicht so gemeint."

Nächstes Thema, die obligatorische Krankenversicherung. Romney, der als Gouverneur von Massachusetts mit einer lokalen Gesundheitsreform de facto das Original für Obamas landesweite Kopie lieferte, hatte sich während der Vorwahlen unter dem Druck der Parteirechten noch von dem Projekt distanziert. Diesmal bekennt er sich ohne Wenn und Aber zu diesem "gelungenen Beispiel parteiübergreifender Kooperation".

Zum ersten Mal seit dem Winter rudert Romney zurück in die Mitte. Das Gesundheitsgesetz des Präsidenten will der Republikaner dennoch kassieren, sollte er im Januar ins Weiße Haus einziehen.

Internet So lief das erste TV-Duell: www.rp-online.de/politik

(RP)
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