Persönlich Mo Yan ... in der Kritik für Aussage zu Zensur

Dass ausgerechnet ein Literaturnobelpreisträger die Einschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit im eigenen Land relativiert, war am Ende doch zu viel: Gestern sah sich der diesjährige Literaturnobelpreisträger, der Chinese Mo Yan (57), massiver Kritik ausgesetzt. Am Tag zuvor hatte er die Zensur in China mit lästigen, aber unumgänglichen Sicherheitskontrollen an Flughäfen verglichen.

Gleichzeitig lehnte er es ab, einen offenen Brief an KP-Chef Xi Jinping von 134 Nobelpreisträgern zur Freilassung des inhaftierten Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo mit zu unterzeichnen. Daraufhin spielten sich Szenen ab, die sich das Nobelpreis-Komitee kurz vor der Verleihungszeremonie am Montag so nicht gewünscht haben dürfte: Der international hochgeachtete Künstler und Menschenrechtsaktivist Ai Weiwei sagte, Mo Yan solle sich schämen. "Er verteidigt dieses bösartige System." Der im US-Exil lebende Autor Yu Jie nannte Mo Yan einen "Lakaien" des Systems. "Er verteidigte öffentlich die Zensur der Kommunistischen Partei — das ist wie einst das Loblied deutscher Schriftsteller auf Adolf Hitler und Joseph Goebbels", sagte Yu Jie.

Der so Gescholtene reagierte gar nicht lyrisch auf die Kritik und sprach von "Dreckwasser" und "Steinewerfen". Schon die Wahl Mo Yans für den mit umgerechnet 925 000 Euro dotierten Preis hatte zu reichlich Verstimmung geführt. Der Sohn einer bäuerlichen Familie wuchs nach eigenen Angaben "ohne große Literatur" auf, erlebte als Kind jedoch "großartige Erzähler". Nach seinem Eintritt in die Volksbefreiungsarmee 1976 begann er mit dem Schreiben und arbeitete unter anderem als Lehrer im Bereich der politischen Schulung, schloss ein Studium der Sinologie an der Militärakademie an. Zwar gilt Mo Yan als moderat, den zahlreichen Oppositionellen aber zugleich als zu regimetreu — was er nun unter Beweis gestellt hat.

(RP)
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