Kairo Kunsträuber plündern Ägypten

Kairo · Seit der Revolution blüht der Diebstahl von antikem Kulturgut. In Berlin beschäftigen sich nun Experten mit dem Thema.

Herumliegende Kalksteinblöcke und rosa Granitsteine hatten die Polizei auf die Spur der Grabräuber geführt. Sieben Dorfbewohner haben 40 Kilometer südlich von Kairo illegal einen Tempel ausgegraben. Sieben pharaonische Stelen, Teile von Marmorsäulen und Granitstatuen sollten auf dem Schwarzmarkt verkauft werden. "Es ist die pure Verzweiflung, die die Leute dazu treibt", versucht Touristenführer Atef Shaaban Abou Assi das Verhalten der Grabräuber zu erklären.

Der Vorfall ist keine Seltenheit in Ägypten. Zwar gab es schon immer Antikendiebstähle im Nilland, aber seit drei Jahren häufen sich die Fälle dramatisch. Nie zuvor wurden so viele Überbleibsel aus der Pharaonenzeit gestohlen wie seit Beginn der Revolution im Frühjahr 2011.

Nach Einschätzung der UN-Kulturorganisation Unesco steht der Handel mit illegalen Antiken inzwischen an dritter Stelle der internationalen Kriminalität - direkt hinter Waffen und Drogen. In Berlin setzen sich daher am Donnerstag und Freitag internationale Experten mit Folgen und Auswirkungen auseinander. Veranstalter der Konferenz sind die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Deutsche Archäologische Institut und der Deutsche Verband für Archäologie. Erwartet werden auch zahlreiche Experten aus Ägypten.

Die Grabräuber bei Kairo wurden inzwischen verhaftet. Enden werden die illegalen Ausgrabungen dadurch jedoch nicht. Abou Assi sitzt in seinem langen sandfarbenen Gewand, der Galabija, vor der Cheops-Pyramide und starrt in die Richtung, wo der Tempel gefunden wurde. Von dem Wüstenplateau in Gizeh aus ist die Stufenpyramide von Sakkara gut zu erkennen, wo die illegal ausgegrabenen Schätze nun restauriert und untersucht werden. "Was nützen uns diese Weltwunder, wenn sie niemand mehr besuchen will?", fragt er und deutet hinter sich auf die berühmtesten drei der insgesamt 101 Pyramiden, die rund um Ägyptens Hauptstadt Kairo zu sehen sind: "Seit der Revolution kommt niemand mehr." Seine zehn Pferde und sechs Kamele musste der 38-jährige Ägypter verkaufen: "Ich hatte kein Geld mehr für das Futter." Drei Jahre ohne Touristen, die die Pyramiden besuchen und auf seinen Tieren reiten. Drei Jahre ohne Einnahmen. Der verheerende Einbruch des Tourismus hat alle Reserven aufgezehrt.

Während sich am Roten Meer der Badetourismus gerade wieder etwas erholt, bleiben die Kulturstätten weiter leer. Kairo ist davon am meisten betroffen. Zunächst hielten Demonstrationen die Besucher ab, jetzt sind es Terroranschläge. "Wir kämpfen hier ums nackte Überleben", versucht Abou Assi die Beweggründe der Kunsträuber zu erklären. Seine Logik ist ernüchternd. "Wenn die Leute nicht mehr zu uns kommen, um sich die Dinge anzuschauen, bringen wir die Kunstschätze zu ihnen", sagt er. Besonders in den westlichen Ländern seien Alabaster- oder Granitminiaturen gefragt, generell "alles, was echt und alt ist".

Plünderungen und Vandalismus in großem Stil spielten sich derzeit in Ägypten ab, sagt Monica Hanna. Sie ist Ägypterin und Archäologin und arbeitet an der Berliner Humboldt-Universität. Aufgeschreckt durch die Ereignisse in ihrem Land, dokumentiert die Wissenschaftlerin seit einem Jahr die Verluste des historischen Erbes am Nil. Sie findet Tempel, die zu Autowerkstätten umfunktioniert wurden, Museen, in denen Märkte abgehalten werden. Der Plünderung des Mallawi-Museums im oberägyptischen El Minya hätten die Sicherheitskräfte tatenlos zugesehen. Die Kunsträuber, die Monumente und Überbleibsel stehlen, seien oft in Banden organisiert und schwer bewaffnet.

Für die Archäologin sind aber nicht nur der Einbruch des Tourismus und der damit verbundene Geldmangel schuld an der zunehmenden Plünderung antiker Stätten. "Bis jetzt gibt es keinen Sicherheitsplan zum Schutz unserer Monumente", sagt Hanna. Außerdem hätten die Ägypter keine Beziehung zu ihren Kunstschätzen. Wäre dies der Fall, würden die Bürger selbst auf ihre Schätze aufpassen. Die Plünderung des berühmten Ägyptischen Museums in den Tagen der Revolution sei ein Beleg dafür. Unbehelligt konnten die Diebe eindringen und rund 300 Altertümer entwenden.

Monica Hanna macht vor allen Dingen den früheren Antikenminister für diesen Zustand verantwortlich: "In den Jahren vor dem Sturz von Präsident Mubarak hat Zahi Hawass die Monumente wie sein Eigentum behandelt." Museen und historische Plätze wurden an Feiertagen für Ägypter geschlossen, um "sie nicht dem Vandalismus auszusetzen". Neuentdeckungen oder die Restaurierung von Pharaonen-Mumien wurden spektakulär durch Hawass im amerikanischen Satellitensender National Geographic gezeigt und nicht im staatlichen ägyptischen Fernsehen. Dadurch bekam die Bevölkerung den Eindruck, die Monumente gehörten der Regierung und den Touristen. Jetzt muss sich Hawass wegen Beihilfe zum Antikenklau in der Cheops-Pyramide vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, zwei deutschen Archäologen Gesteinsproben eines Ornaments aus dem Inneren der Pyramide zur Mitnahme nach Deutschland genehmigt zu haben.

(RP)
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