Zentrales Projekt der Agenda 2010 Stichwort: Reform von Arbeitslosen- und Sozialhilfe

Berlin (rpo). Mit der Reform von Arbeitslosen- und Sozialhilfe geht die Bundesregierung ein zentrales Projekt der Agenda 2010 an. Sie erhofft sich Milliardeneinsparungen, einen Abbau von Bürokratie und eine schnellere Vermittlung von Arbeitslosen. Die Reform soll 2004 in Kraft treten.

Prinzipiell wird künftig unterschieden, ob Bedürftige eine Arbeit aufnehmen können oder nicht. Während Langzeitarbeitslose heute zuerst Arbeitslosenhilfe vom Bund und anschließend Sozialhilfe von der Kommune erhalten, beziehen sie künftig einheitlich das neue "Arbeitslosengeld II" vom Bund. Wer seinen Lebensunterhalt nicht selbst verdienen kann - zum Beispiel manche Behinderte oder allein Erziehende - soll statt Sozialhilfe künftig "Sozialgeld" von der Kommune erhalten.

Das bedeutet auch, dass etwa jeder dritte der 2,7 Millionen heutigen Sozialhilfeempfänger - also etwa 900.000 Menschen - künftig in die Zuständigkeit des Bundes fällt. Diese Menschen werden als "arbeitsfähig" eingestuft. Sie sitzen künftig in einem Boot mit den jetzigen Arbeitslosenhilfeempfängern. Zuletzt waren dies bundesweit etwa 1,5 Millionen Menschen.

Das Arbeitslosengeld II soll in etwa auf dem Niveau der heutigen Sozialhilfe liegen, also in der Regel niedriger als die Arbeitslosenhilfe. Diese beträgt zwischen 53 und 57 Prozent (für Arbeitslose mit Kindern) des letzten Nettolohnes. Künftig sollen nach einem Gesetzentwurf von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement im Westen 297 Euro und im Osten 285 Euro gezahlt werden.

Das Geld gibt es aber nur komplett, wenn sich die Arbeitslosen um Arbeit bemühen. Die Zumutbarkeitsregeln werden so verschärft, dass auch gering bezahlte Jobs angenommen werden müssen. Sonst wird die Unterstützung drastisch gekürzt. Dafür sollen Arbeitslose mehr Unterstützung bei der Suche erhalten. Das Wirtschaftsministerium spricht von "Fördern und Fordern".

Folge der neuen Aufteilung der Bedürftigen zwischen Bund und Kommunen ist auch eine Umverteilung der Finanzen, die für Zündstoff zwischen Bundes- und Landesregierungen sorgt. 2001 zahlte der Bund 12,8 Milliarden Euro aus Steuermitteln für Arbeitslosenhilfe. Die Kommunen gaben nach Angaben ihrer Spitzenverbände im selben Zeitraum rund 9,5 Milliarden Euro für Sozialhilfeempfänger aus.

Die Umverteilung mit dem Arbeitslosengeld II soll zwar die Kommunen entlasten. Das Geld will sich der Bund Zeitungsberichten zufolge aber über einen höheren Anteil vom Umsatzsteueraufkommen von insgesamt etwa 140 Milliarden Euro zurückholen. Ab 2005 sollen die Länder dem Bund zehn Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich abgeben. Bayern hat die Reform deshalb als "Mogelpackung" abgelehnt.

Auch Baden-Württemberg und Hessen erheben Einspruch. Sie wollen das Arbeitslosengeld II nicht von der Bundesanstalt für Arbeit verwalten lassen, sondern von den Kommunen und ihren Sozialämtern. Der Bund soll lediglich das Geld dafür überweisen.

Ob die Reform am Ende Geld spart, ist umstritten. Obwohl Sparsummen von drei bis fünf Milliarden Euro im Raum stehen, hat sich der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, skeptisch gezeigt. Hauptziel der Reform sei nicht, Geld zu sparen, sondern das geltende "merkwürdige System" zu überwinden.

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