Wahlkampfauftritt in Regensburg Steinmeier im bayerischen Bierzelttest

Regensburg · Wer Kanzler werden will, muss im Wahlkampf beißen, schimpfen und begeistern. Die Menschen erreichen, heißt so etwas dann. So sicher wie die politische Weisheit gilt, so unsicher war bislang, ob sich SPD-Kandidat Frank-Walter Steinmeier auch im Bierzelt würde behaupten können. In Regensburg zeigt er am Freitag: Er kann.

Steinmeier trinkt, schwitzt und schimpft
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Durst hat er mitgebracht. Während Bayerns SPD-Spitzenkandidat Franz Maget über die CSU spottet und schimpft, greift Frank-Walter Steinmeier immer mal wieder zum Maßkrug. Der Mann aus Ostwestfalen, wo sie ihr Pils aus 0,2-Gläsern zischen, fühlt sich sichtbar wohl mit dem Liter Festbier auf der Regensburger Herbstdult. Empfangen vom bayerischen Defiliermarsch, den eine Blaskapelle schmettert, erinnert der erste Wahlkampfauftritt Steinmeiers als Kanzlerkandidat an die besseren Tage der CSU: 2000 Menschen jubeln, die Luft ist stickig und die Krüge klirren.

"Das ist der Härtetest für Frank-Walter Steinmeier", ruft Maget ins Publikum, das zur Hälfte aus SPD-Anhängern und zur anderen Hälfte aus neugierigen Besuchern des neben der Donau veranstalteten Volksfests besteht. Und an Steinmeier gewandt sagt Maget: "Lieber Frank, wer das durchsteht, der wird auch Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden." Doch hat der als etwas spröde bekannte Steinmeier die höchste Adelung verdient, die sie in Bayern an Politiker vergeben? Ist er Bierzelt tauglich?

Steinmeier begeistert

An einem der vorderen Biertische sitzt Joseph Adlhoch. Von Regenstauf ist er hergekommen, mit ihm insgesamt 50 andere Mitglieder des SPD-Ortsvereins. Der 81-Jährige ist einer der unerschütterlichen bayerischen Sozialdemokraten, der sich von keiner der schier endlosen Serie von Wahlpleiten hat vertreiben lassen. In seinem Ortsverein zählt sein Wort bis heute. Sein Urteil über Steinmeier: "Der kann's." Adlhoch sagt das aber nicht nur so einfach, er greift sich an sein Hemd und sagt nach der Steinmeier-Rede mit einer Mischung aus Begeisterung und Rührung: "Das ist mir richtig ans Herz gegangen."

Steinmeier begeistert seine Zuhörer, indem er sich ein Stück neu erfindet. Weg vom staatstragenden Minister, als der er sich als Außenminister bei seinem ersten Auftritt im bayerischen Wahlkampf vor wenigen Wochen präsentiert hatte. Jetzt zeigt er den Wahlkämpfer: In seine sonst sonore Stimme kann er Leidenschaft packen, seine seriösen Ausführungen ersetzt er durch Frechheit. "Nicht mal der Tisch, auf den sie angeblich gehauen haben, hat eine Delle. Ich habe nämlich nachgeguckt, da war nichts zu sehen", sagt Steinmeier zu der von Erwin Huber und Günther Beckstein beschworenen Durchsetzungskraft der CSU bei Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Fulminanter Empfang

Steinmeier hat sich offensichtlich mit der Lage in Bayern intensiv beschäftigt. Er schmeichelt den Regensburgern. Er lobt Maget über den grünen Klee. Und er teilt immer wieder gegen die CSU aus. Er könne sich gut vorstellen, dass "der Edmund Stoiber in die Tischkante beißt und zum Himmel fleht, Herrgott, lasst mich selbst wieder ran". Klatschnass geschwitzt ist Steinmeiers weißes Hemd am Ende seiner kämpferischen Rede, die nicht nur die SPD-Anhänger, sondern auch viele vom "normalen" Publikum bejubeln - und die Steinmeier am Ende in der Aussicht auf einen Regierungswechsel im CSU-Land gipfeln lässt: "Liebe Leute, das sind vielleicht Zeiten, ich sage euch, Wendezeiten in Bayern."

Die Christsozialen dürften nach diesem fulminanten Empfang für Steinmeier und Maget, der als Herausforderer Becksteins ebenfalls lauten Jubel bekommt, noch nachdenklicher werden. Trotz der groß angekündigten, angeblich größten Mobilisierungskampagne der CSU-Geschichte bleibt der Zulauf zu vielen CSU-Wahlveranstaltungen dürftig. Ebenfalls in Regensburg musste erst vor wenigen Tagen Horst Seehofer, der als Meister des Bierzelts gilt, eine herbe Schlappe hinnehmen. Nicht, dass Seehofer als Redner versagte - der für ihn angemietete Saal war aber nicht mal zur Hälfte gefüllt. "Ja, die müssen sich jetzt auch strecken", spottet in Regensburg eine selbstbewusste SPD-Mitarbeiterin.

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