Zahlungsreserven schmelzen Rentenversicherung droht im Herbst Zahlungsnot

Berlin (rpo). Im Herbst könnte die gesetzliche Rentenversicherung in akute Zahlungsenpässe geraten. Eventuell wäre sie dann erstmals in ihrer Geschichte auf ein Darlehen des Bundes angewiesen.

Wie am Montag in Berlin der Vorstandsvorsitzende der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), Christian Zahn, sagte, müsse damit gerechnet werden, dass im November 2004 die Zahlungsreserven "auf nur noch 250 Millionen Euro abgeschmolzen" sind. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung "nur geringfügig ungünstiger" verlaufe als angenommen, werde ein Bundesdarlehen notwendig.

Wie BfA-Präsident Herbert Rische ergänzte, wurden in den ersten zwei Monaten des Jahres in der Rentenversicherung 100 Millionen Euro weniger eingenommen als im November geschätzt. Er fügte hinzu, die Schwankungsreserve reiche nicht mehr aus, "um unterjährige Engpässe auszugleichen".

Teilbeträge des Bundeszuschusses vorziehen

Bei einem Zahlungsproblem müssten eigentlich Teilbeträge des Bundeszuschusses vorgezogen werden. Im November wäre der gesamte Zuschuss des Bundes aber bereits ausgezahlt, so dass laut BfA-Direktor Klaus Michaelis nur noch ein Darlehen in Frage käme. Dies müsste dann auch bei der Festsetzung des Beitragssatzes für das Jahr 2005 berücksichtigt werden.

Die Union sprach von einem "peinlichen Schauspiel". "Wenn der Bundesfinanzminister zusätzliche Schulden machen muss, damit die Renten pünktlich ausgezahlt werden, dann hat das einen enormen Vertrauensverlust für die Rentenpolitik zur Folge", warnte CDU-Sozialexperte Andreas Storm. Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) habe die Rentenfinanzen "nicht mehr im Griff".

Schmidts Sprecher Klaus Vater zeigte sich hingegen optimistisch und erklärte: "Das Jahr 2004 wird ein gutes Jahr für die Finanzentwicklung der Rentenversicherung." Es gebe "keinen vernünftigen Grund", an der prognostizierten Finanzentwicklung der Rentenversicherung zu zweifeln. Warnungen vor einem Zahlungsproblem der Rentenversicherung seien "überflüssig und sachlich nicht zu begründen", sagte Vater.

Warnung vor immer neuen Einbußen für Rentner

BfA-Vorstand Zahn warnte derweil vor immer neuen Einbußen für die künftigen Rentner. Allein durch die Veränderungen bei der Rentenanpassung in den vergangenen drei Jahren fielen die Altersgelder um mehr als 16 Prozent niedriger aus als ohne die Reformen. Hier würden "außerordentlich problematische" Größenordnungen erreicht.

Zu begrüßen sei das im Zuge der Rentenreform beschlossene Mindestniveau. Allerdings hätten die 30- oder 40-Jährigen damit immer noch keine Sicherheit, auf was sie sich im Jahr 2030 einzustellen hätten.

Die Ausgaben für die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten lagen 2003 bei 226 Milliarden Euro. Dem standen Einnahmen in Höhe von 223,9 Milliarden Euro gegenüber. Die Schwankungsreserve lag Ende 2003 bei rund 7,5 Milliarden Euro. Die 7,5 Milliarden Euro entsprechen rund 48 Prozent einer Monatsausgabe. Gesetzlich vorgeschrieben war 2003 eine Schwankungsreserve in Höhe von 50 Prozent.

Zahn rechnet damit, dass es bis 2007 bei einem Beitragssatz von 19,5 Prozent bleibt. Ab 2008 werde es vermutlich vorübergehend zu einer Beitragssenkung kommen. Auf längere Sicht würden die Sätze dann voraussichtlich steigen: auf 20 Prozent im Jahr 2020 und 22 Prozent in 2030.

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