Nach Londoner Fahnungserfolg Politiker wollen mehr Videoüberwachung

Hamburg (rpo). Auch hierzulande werden nach der schnellen Identifizierung der Attentäter von London die Forderungen nach einer verstärkten Videoüberwachung laut. "Der rasche Ermittlungserfolg der britischen Polizei unterstreicht den Nutzen der Videoüberwachung", sagte Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU).

"Wir brauchen den umfassenden Einsatz der Videokameras auf rechtsstaatlicher Basis für öffentliche Plätze, Bahnhöfe, Flughäfen und andere wichtige Bereiche", so Schönbohm gegenüber der "Bild"-Zeitung.

Schönbohms bayerischer Amtskollege Günther Beckstein (CSU) sagte: "Videokameras erhöhen eindeutig die Sicherheit. Daher brauchen wir mehr Videoüberwachung in Angsträumen und an gefährlichen Orten. Und ganz wichtig im kommenden Jahr: Kameras an den Plätzen, wo die WM-Spiele auf Großbildwänden übertragen werden." Hintergrund der Forderungen ist, dass die britische Polizei die Attentäter von London innerhalb von fünf Tagen identifizieren konnte, weil sie von Überwachungskameras gefilmt worden waren.

Auch der Innenminister des Landes Niedersachsen, Uwe Schünemann (CDU), plädierte im Gespräch mit der Netzeitung für eine Ausweitung der Videoüberwachung und den Aufbau einer Anti-Terror-Datei. Außerdem trat er dafür ein, die Bundeswehr bei Bedarf auch für Anti-Terror-Maßnahmen im Inland einzusetzen. "Wir müssen uns in Deutschland auch auf solche Anschläge vorbereiten", sagte er der "Netzeitung" mit Blick auf Selbstmordanschläge.

Zum Instrument der Videokontrolle sagte der Minister. "Wir werden das zur Fußball-WM weiter ausweiten und verstärkt mit den Verkehrsbetrieben kooperieren." Demnach sollen Kameras nicht nur in den Stadien eingesetzt werden, sondern "auch dort, wo die Gefahr wahrscheinlich noch größer ist, in den Innenstädten, wo die Großleinwände aufgebaut werden".

Kritik von Gewerkschaft der Polizei

Die Gewerkschaft der Polizei ist gegen eine flächendeckende Videoüberwachung in Deutschland. Technik könne keine Menschen ersetzen, "wir brauchen Polizisten die Streife gehen", sagte Gewerkschafts-Vorsitzender Konrad Freiberg am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin". Bei der Terrorbekämpfung müssten andere Möglichkeiten der Ermittlung ausgebaut werden.

Freiberg unterstrich, die Videoüberwachung sei ein wichtiges Instrumentarium, etwa um wie in London nach Attentätern zu fahnden. Deshalb müsse geprüft werden, ob an besonders gefährdeten Orten und Einrichtungen die Überwachung mit Kameras verantwortungsbewusst ausgebaut werden könne. Videoüberwachung sei aber kein Allheilmittel im Kampf gegen den Terrorismus. Die Polizei wolle "nicht eine ganze Stadt vollpflastern mit Videokameras".

Vielmehr müssten die Ermittlungsmöglichkeiten der Polizei ausgebaut werden, verlangte Freiberg. So sei es wichtig, die Kommunikationsdaten bei Handys länger als bisher aufzubewahren. Dazu sei eine Änderung der Rechtslage notwendig.

Freiberg betonte, auch Deutschland sei im Visier der Terroristen. Aktuell liefen 178 Verfahren gegen islamistische Terrorverdächtige. In fünf Fällen habe die deutsche Polizei unter anderem durch die Observierung von Wohnungen und das Abhören von Telefonaten Anschläge in Deutschland und im Ausland verhindern können.

Beckstein will mehr V-Leute

Bayerns Innenminister Beckstein will die Überwachung der muslimischen Gemeinden in Deutschland verschärfen. Beckstein sagte der "Berliner Zeitung", es sei beunruhigend, dass anscheinend offenbar erstmals in Europa Anschläge von Selbstmordattentätern verübt worden seien. "Daraus folgt, dass wir religiöse Fanatiker noch stärker überwachen müssen."

So müsse das Netz von V-Leuten in der extremistischen muslimischen Szene deutlich erweitert werden. "Wo extremistisches Gedankengut gepredigt wird, müssen wir auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln präsent sein", sagte Beckstein. Er appellierte an die muslimischen Gemeinden, stärker mit den Sicherheitsbehörden zu kooperieren.

(afp)
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