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Claudia Roth im Interview "Minderheitsregierung im Bund nicht vorstellbar"

Berlin · Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth schließt mit Blick auf den Bundesparteitag der Linken eine von der Linkspartei tolerierte rot-grüne Minderheitsregierung im Bund aus.

Frosch und Rucksäcke: Parteitag der Grünen
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Ist eine Kooperation von SPD und Grünen mit der Linkspartei nach der Bundestagswahl denkbar?

Roth Dafür müsste erst mal klar sein, wofür die Linkspartei eigentlich noch steht. Sie hat zu den wichtigsten Themen, wie zum Beispiel zur Energiewende oder dem Klimaschutz, keine erkennbare Position. Dazu kommt ihre außenpolitische Regierungsunfähigkeit. Die Linke weigert sich strikt, zwischen einzelnen Militär-Einsätzen zu differenzieren. Ob nun der Einsatz in Afghanistan, im Kosovo, im Libanon oder in Mali: für die Linke alles gleich. Und in ihrer Europakritik wird sie eigentlich nur noch von der CSU übertroffen.

Es gibt auch in Ihrer Partei Leute, die finden, dass die Kooperation von Rot-Rot-Grün in NRW gut für Sie ausgegangen ist.

Roth In Nordrhein-Westfalen gab es keine Tolerierung durch die Linkspartei, vielmehr handelte es sich um eine Minderheitsregierung, die mit wechselnden Mehrheiten regiert hat. Auf Landesebene war das ein gutes Modell. Doch angesichts der globalen Herausforderung eine Bundesregierung ohne eigene Mehrheit zu bilden, halte ich für nicht vorstellbar.

Also Rot-Rot-Grün ausgeschlossen?

Roth Wenn eine Partei in einer Welt, in der es in vielen Regionen brennt, keine außenpolitische Verantwortung übernehmen will, sondern einfach nur die nationale Brille aufsetzt, dann kann man mit einer so aufgestellten Partei nicht regieren.

Was läuft bei Ihrem Wunschkoalitionspartner nicht rund, dass die Umfragewerte so schlecht sind?

Roth Die Frage ist, warum die Werte für Angela Merkel so gut sind angesichts dieser schlechten Regierung. Kanzlerin Merkel hat die Fähigkeit, sich präsidial über den Dingen zu bewegen. Als hätte sie mit der desaströsen Politik des Umweltministers nichts zu tun, der die Energiewende ausbremst, oder als sei sie nicht verantwortlich für den Verteidigungsminister, der nicht weiß, an was er sich gerade erinnern soll. Sie ist als Kanzlerin für die Leistung dieser schwarz-gelben Regierung natürlich verantwortlich, zum Beispiel dafür, dass die Gesellschaft gerade sozial auseinander bricht.

Wie viel Prozent müssen die Grünen angesichts der Schwäche der SPD denn holen, damit es reicht?

Roth Wir müssen auf jeden Fall ein besseres Ergebnis bekommen, als bei der letzten Bundestagswahl. Wir wollen starke Partner sein, dann können wir auch viel umsetzen. Das alte Oben und Unten, das Prinzip Koch und Kellner wird es jedenfalls nicht mehr geben.

Steinbrück steht aber für das alte Rot-Grün . . .

Roth Mag sein, aber er hat dazugelernt.

Die Grünen-Basis hat über die wichtigsten Wahlkampfthemen abgestimmt, die viel diskutierte Steuerpolitik war nicht dabei. Überrascht Sie das?

Roth Das zeigt, wie klug unsere Mitglieder sind. Steuerpolitik ist ja nicht ein Wert an sich, sondern ein Mittel zum Zweck. Wir wollen den Haushalt sanieren, mehr Einnahmen generieren und Subventionen abbauen als Voraussetzung dafür, um unsere wichtigen Anliegen wie den Kita-Ausbau umzusetzen. Und im Übrigen ist das Thema Finanzarchitektur, also die Rolle der Banken, zu einem der Top-Themen gewählt worden.

Es hat gerade einmal ein Viertel ihrer Mitglieder bei der Umfrage mitgemacht . . .

Roth Bei der Urwahl hatten wir über 60 Prozent Beteiligung, Dann haben wir das Wahlprogramm im Dialog mit der Basis erstellt, was uns 2600 Änderungsanträge und 319 kleingedruckte Seiten Programm eingebracht hat. Und jetzt haben nochmals 26 Prozent unserer Mitglieder über die wichtigsten Punkte aus dem Programm abgestimmt. Ich finde das ist eine gute Bilanz — so viel Basisbeteiligung war nie. Und ich finde vor allem gut, was dabei herausgekommen ist: Zu den wichtigsten Projekten gehören Stromversorgung bis 2030 aus 100 Prozent erneuerbarer Energie, Ende der Massentierhaltung und Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.

Werden diese Projekte auch in Koalitionsverhandlungen prioritär sein?

Roth Ja. Die neun Punkte, die von der Parteibasis als die wichtigsten Forderungen im Wahlkampf festgelegt wurden, haben auch bei Koalitionsverhandlungen Vorrang. Sie haben eine hohe demokratische Legitimation.

Haben Sie nicht zu viele Steuererhöhungen in Ihrem Programm?

Roth Nein, wir haben zuerst geklärt, was wir erreichen wollen. Wir wollen den Haushalt konsolidieren und Schulden abbauen. Wir wollen Schulen, Hochschulen, Straßen und Brücken erhalten. Und dann geht es uns um die soziale Gerechtigkeit. Dafür brauchen wir finanzielle Mittel und dafür haben wir ein Konzept gemacht, mit dem 90 Prozent entlastet werden und das von 10 Prozent einen etwas höheren Beitrag einfordert. Und darum geht auch die gesellschaftliche Debatte im Wahlkampf. Anders als Frau Merkel sind wir so ehrlich, auch die Finanzierung unserer Versprechen offen zu legen.

Michael Bröcker und Eva Quadbeck stellten die Fragen.

(brö/qua)
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