Noch 100 Tage bis zur Wahl FDP und Union suchen den kleinsten gemeinsamen Nenner

Berlin · Bis zur Bundestagswahl 2013 sind es nur noch 100 Tage hin. Aus dem Koalitionsvertrag zwischen Schwarz-Gelb aus dem Jahr 2009 sind noch viel Punkte offen. Können und wollen Union und FDP noch einmal gemeinsam im September antreten?

Diese Streitthemen beherrsch(t)en Schwarz-Gelb
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Foto: AP

Angela Merkel kann in drei Tagen um die halbe Welt fliegen, sie kann in Nachtsitzungen etappenweise den Euro retten und in Minutenschnelle auf Krisen reagieren. Aber das kann die Kanzlerin nicht: In den verbleibenden 100 Tagen alle noch offenen Punkte aus dem Koalitionsvertrag mit der FDP von 2009 abarbeiten. Dazu gehört etwa das Versprechen von Steuerentlastungen in Milliardenhöhe.

Bei weitem nicht in allen Fällen haben Schwarz und Gelb Wort gehalten. Und sie haben in ihrer Koalition auch lange nicht so gut zusammengepasst wie es sich die Parteiführungen gewünscht hatten.
Doch zur Bilanz gehört auch: Deutschland steht wirtschaftlich gut da. Andere Länder beneiden die Bundesrepublik um die vergleichsweise niedrige Arbeitslosenquote und hohen Sozialstandards. Merkel hat sich in der Eurokrise weltweit den Ruf als Stabilitätsfaktor erworben.

Ob der dafür gezahlte Preis - die gigantischen Rettungspakete für Griechenland und andere Krisenländer sowie die umstrittenen Interventionen der EZB-Währungshüter - angemessen ist, werden bald die Verfassungsrichter in Karlsruhe der Kanzlerin mitteilen.

Die starke Position der Regierungschefin ist Segen für die Koalition und Fluch für die den kleineren Partner FDP zugleich. Denn aus Merkels Schatten muss die FDP im Wahlkampf heraustreten, um CDU und CSU überhaupt als Koalitionsoption erhalten zu bleiben.

Rösler: "Gibt keine Liebe zur Union"

FDP-Chef Philipp Rösler versucht nun tapfer, seine Partei als Korrektiv der Union zu verkaufen. Den Liberalen aber haftet der Makel an, beim entscheidenden Wahlversprechen von 2009 - "mehr Netto vom Brutto" - grandios gescheitert zu sein.

Auch räumen führende Liberale ein, vom Koalitionspartner in der laufenden Wahlperiode immer wieder vorgeführt worden zu sein. Es gebe keine "Liebe und Zuneigung" zur Union, erklärte Rösler auf dem Mai-Parteitag. Jetzt will die FDP wenigstens höhere Steuern verhindern. Ein Alleinstellungsmerkmal ist das nicht. Auch die Union bekennt sich dazu.

So stehen die Koalitionäre nun vor diesem Dilemma: Die FDP, deren Wiedereinzug in den Bundestag laut Umfragen nicht gesichert ist, muss sich inhaltlich von der Union abgrenzen. Das ist grundsätzlich nicht schwer, denn auch in den vergangenen Jahren scheiterten Kompromisse an den unvereinbaren Positionen beider Partner wie bei der Vorratsdatenspeicherung oder den Verbesserungen bei der Mütterrente.

Doch nun müssen sich Union und FDP aus einem Bündnis heraus gegenseitig Konkurrenz machen, um nach der Wahl wieder gemeinsam regieren zu können. Das könnte wenig glaubhaft wirken. Denn die Diskrepanzen bestehen ja tatsächlich.

Warum sollte Merkel nach der Wahl die FDP zu Verbesserungen bei der Mütterrente bewegen können, wenn sie es schon vor der Wahl nicht geschafft hat? Wie sollen Schwarz und Gelb nach vierjährigem Stillstand bei der Vorratsdatenspeicherung zueinanderfinden? Wer glaubt, dass die Union ihre Grundüberzeugung aufgibt und Homosexuellen das volle Adoptionsrecht zubilligen wird, wie es die FDP verlangt?

Dass es bei der steuerlichen Gleichstellung von Homosexuellen Ende Juni noch eine Einigung geben wird, liegt nicht an einem Einlenken der Union, sondern am Bundesverfassungsgericht. Die Richter erklärten die kritische Haltung der Merkel-Partei und der CSU von Horst Seehofer für verfassungswidrig.

Aber bei aller Disharmonie beschwören CDU- und CSU-Politiker: für sie gebe es keine besseren Partner als die Freien Demokraten. Mit SPD und Grünen wäre es viel schlimmer. Merkel sagte gerade beim Industrietag in großer Offenheit, die Differenzen mit der FDP seien eben am geringsten. "Da kracht's auch mal. Von der Gesamtphilosophie ist das aber die beste Sache für Deutschland."

(dpa/felt)
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