Klimaschutz Bundesländer stoppen Teile des deutschen Klimapakets – ungeachtet der weltweiten Klimaproteste

Berlin · Die meisten Länder wollen Mindereinnahmen nicht hinnehmen, die ihnen etwa durch die Anhebung der Pendlerpauschale entstehen.

 Südkoreanische Studenten beim Klimaprotest am Freitag in Seoul.

Südkoreanische Studenten beim Klimaprotest am Freitag in Seoul.

Foto: dpa/Lee Jin-Man

Ungeachtet der weltweiten Klimaproteste und unmittelbar vor Beginn der Weltklimakonferenz am Montag in Madrid haben die Bundesländer die steuerpolitischen Teile des deutschen Klimapakets im Bundesrat gestoppt. Die Länderkammer rief am Freitag einstimmig den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat an. Damit ist fraglich, ob etwa die geplanten Vergünstigungen bei Bahntickets rechtzeitig zum 1. Januar wirksam werden können. Den meisten Ländern geht es um finanzielle Fragen. Die Grünen, die in zehn Ländern mitregieren, fordern auch inhaltliche Nachbesserungen. Die für 2021 geplante Anhebung der Pendlerpauschale etwa wollen sie verhindern, weil sie für den Klimaschutz kontraproduktiv sei.

Die Bundesregierung hat ihr Klimapaket in zwei Teile aufgeteilt: einen Steuerteil und einen für den Klimaschutz wichtigeren allgemeinen Regelungsteil. Dieser sieht im Kern feste Vorgaben für die jährliche Reduzierung des CO2-Ausstoßes in den einzelnen Wirtschaftssektoren sowie die Einführung eines CO2-Preises ab 2021 vor. Auf diesen Teil des Pakets können die Länder allenfalls nur noch indirekt Einfluss nehmen, da er im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig war.

 Der Steuerteil des Klimapakets dagegen ist in der Länderkammer zustimmungspflichtig. Da der neue CO2-Preis die Benzinpreise schrittweise erhöhen wird, will die Bundesregierung im Gegenzug die Pendlerpauschale für Arbeitnehmer von 30 auf 35 Cent ab dem 21. Kilometer zu Arbeit erhöhen. Zudem soll die Mehrwertsteuer auf Bahntickets bereits ab 2020 von 19 auf sieben Prozent gesenkt werden, was die Bahntickets verbilligen soll. Zudem sollen Wohnungseigentümer und Mieter Aufwendungen für die energetische Gebäudesanierung steuerlich absetzen können.

 Die meisten Länder monieren, sie würden durch die steuerlichen Maßnahmen finanziell belastet, weil sie einen Teil der Mindereinnahmen mittragen müssten. Zugleich gewinne aber nur der Bund Einnahmen hinzu, wenn der CO2-Preis eingeführt sei. Die Grünen wollen statt einer höheren Pendlerpauschale eine Entlastung der Bürger bei der Stromsteuer durchsetzen. Die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung hätten auch die Grünen seit Langem gefordert, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter Sie wollten nun aber Druck machen, „dass sie klimawirksam ausgestaltet wird.“ Zudem setzen die Grünen auch darauf, dass sie über den Hebel der anstehenden Nachverhandlungen noch Einfluss auf den CO2-Preis nehmen können. Dieser sei mit anfangs nur zehn Euro pro Tonne CO2 viel zu niedrig, um Wirkungen zu entfalten.

 Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) dagegen verteidigte den geringen CO2-Preis. Es sei schon ein großer Schritt, dass der Handel mit Verschmutzungsrechten überhaupt eingeführt werde. „Überall außerhalb Deutschlands wird dieses Klimapaket begrüßt“, sagte er.

 Klimaforscher unterstützten Forderungen der Grünen, der SPD und auch von Teilen der Union nach einem höheren CO2-Anfangspreis. „Das Klimapaket braucht dringend Nachbesserungen, wenn es wirklich einen Beitrag zur Stabilisierung unseres Klimas leisten soll. Vor allem der vorgesehene CO2-Preis ist in der jetzigen Ausgestaltung wirkungslos gering, wie unsere Forschung zeigt“, sagte Ottmar Edenhofer, Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Zudem müsse der Preis von Jahr zu Jahr längerfristig verlässlich steigen, damit die Unternehmen Planungssicherheit hätten und in saubere Technologien investieren könnten. Drittens sei ein besserer Sozialausgleich nötig, damit Geringverdiener entlastet werden. Das alles ist möglich. „Und Deutschland ist hier nicht allein: Die EU macht sich hier auf den Weg, und sogar China plant ein Emissionshandelssystem“, sagte Edenhofer. „Je länger wir warten mit Maßnahmen zur Verringerung unseres Ausstoßes von Treibhausgasen, desto größer werden die Klimarisiken – und die Kosten.“

 Auch Patrick Graichen, Chef der Denkfabrik Agora Energiewende, forderte einen höheren CO2-Preis. „Die Frage wird sein, welche Änderungen am Klimapaket die Bundesländer im Vermittlungsausschuss über die steuerlichen Fragen hinaus erwirken. Beim Emissionshandel ist viel Luft nach oben – jeder weiß, dass die zehn Euro Einstiegspreis im Jahr 2021 keinerlei Klimawirkung haben werden“, sagte er.

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