Gastbeitrag zur Verdienstkreuzverleihung Biontech zeigt, wie wir als Land sein könnten

Berlin · Die beiden Biontech-Gründer werden an diesem Freitag für die Entwicklung des Corona-Impfstoffes mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Unser Gastbeitrag des Arbeitsmarktexperten Johannes Vogel stellt das in den Zusammenhang der überdurchschnittlichen Innovation von Betrieben, die Menschen mit ausländischen Wurzeln gründen.

 Özlem Türeci und ihr Mann Ugur Sahin.

Özlem Türeci und ihr Mann Ugur Sahin.

Foto: dpa/Biontech

Mit Özlem Türeci und Uğur Şahin erhält an diesem Freitag ein Ausnahmeforscher- und Unternehmerpaar das Große Verdienstkreuz mit Stern durch den Bundespräsidenten. Und selten fand man eine Verleihungszeremonie so angemessen. Denn der Impfstoff dieses deutschen Medizinerehepaar weist uns nicht nur den Weg aus der Corona-Pandemie – er erweist sich bisher auch wirksam gegen Mutationen und birgt durch seine neue mRNA-Technik das Versprechen, auch für künftige Varianten des Virus in Rekordzeit anpassbar zu sein. Aber das Beispiel von Türeci und Şahin strahlt und inspiriert auch darüber hinaus – denn es zeigt, wie wir als Land sein können.

Wäre es einst nach den heutigen Rassisten und völkischen Vorgestrigen gegangen, hätte es die Gründer des Unternehmens Biontech als Kinder türkischer Einwanderer in Deutschland nie gegeben. Gott sei Dank kam es anders. Wir sollten dies als Ansporn nehmen, endlich durch ein wirklich modernes Einwanderungsgesetz den globalen Wettbewerb um Talente aufzunehmen, um die nächsten Eltern von deutschen Heldinnen und Helden dafür zu gewinnen, als Fachkräfte Teil unserer vielfältigen Republik zu werden. Und sorgen wir dafür, dass wir auch zu Hause kein Talent mehr verschenken, weil unser Bildungssystem bisher Chancen nicht unabhängig von der Herkunft zu schaffen vermag.

Heute schon tragen Unternehmen, die von Deutschen mit ausländischen Wurzeln geführt werden, überdurchschnittlich zu Innovationen bei. Und überhaupt sind Unternehmerinnen und Unternehmer geborene Innovationstreiber. Sie übernehmen Verantwortung für eine Idee, die ihnen keine Ruhe lässt und machen aus dieser greifbare Realität– wie in diesem Fall. Deswegen sollten wir ihnen nach der Krise bürokratische und finanzielle Steine aus dem Weg räumen, Entrepreneurship schon in der Schule vermitteln, unternehmerischen Erfolgen mit Wertschätzung und Rückschlägen nicht mit Häme begegnen sowie hoffnungsvollen neuen Techniken oder Betrieben auch künftig großzügig Gründungs- und Forschungsförderung bereitstellen.

Wäre es nach den Kritikern von Kapitalismus und Globalisierung gegangen, hätte es auch keine Kooperation mit dem US-Pharmamulti Pfizer geben dürfen. Auch die globale Arbeitsteilung hat aber zur Geschwindigkeit der Impfstoffentwicklung beigetragen, weil die Forscherteams in Deutschland und den USA weitgearbeitet haben, wenn die Kolleginnen und Kollegen schliefen. Erinnern wir uns daran, wenn das nächste Mal mit populistischen Fake News zu einer Demonstration gegen Freihandelsabkommen und Globalisierung aufgerufen wird. Arbeitgeber sind die beiden übrigens auch noch, für weit mehr als tausend Menschen Arbeit in unserem Land. Fortschritt und Innovation weisen nicht nur den Weg aus der Corona-Krise, sie sind in allen Krisen der Menschheit ein Rettungsanker. Und während beides erst mal abstrakte Begriffe sind, sind Özlem Türeci und Uğur Şahin zwei leibhaftige Deutsche, die eben jene Tugenden verkörpern. Wer wir heute sind, wo wir heute stehen, das verdanken wir auch all jenen Menschen, die sich in den letzten Jahrhunderten für ein Leben in Deutschland oder als Unternehmerinnen oder Unternehmer entschieden haben. Denn: Einwanderungsland, eine offene Gesellschaft, Marktwirtschaft und Unternehmertum – genau das macht uns stark!

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