Strategie für Wahlkampf Zwischen Bayern und Bund: Die CSU stellt ihre Weichen neu

Die CSU betont ihre bundespolitische Bedeutung und will sich neue Anhänger erschließen. Zugleich kann sie ihre konservative Stammwählerschaft in Bayern nicht außer Acht lassen. Es zeichnet sich bereits ab, welche Marschrichtung die kleine CDU-Schwester wählt.

 CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (l.) begrüßt Parteichef Markus Söder bei der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag, die in diesem Jahr in Berlin stattfand.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (l.) begrüßt Parteichef Markus Söder bei der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag, die in diesem Jahr in Berlin stattfand.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Um festzustellen, wo die CSU derzeit steht, lohnt ein Blick in die jüngste Vergangenheit: Markus Söder lobt die Bundeskanzlerin neuerdings in den höchsten Tönen. Die Bundestags-CSU wählt für ihre traditionelle Neujahrsklausur erstmals Berlin als Austragungsort. Und die CSU-Spitzen von Söder über Alexander Dobrindt bis Markus Blume lassen keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen, um das vertraute Miteinander der Schwesterparteien CDU und CSU zu betonen. Es ist nicht zu übersehen, wie sehr die Christsozialen mit ihrer Bedeutung im Bund kokettieren. 

Man kann in all dem das Vorspiel einer Unions-Kanzlerkandidatur von Markus Söder sehen, auch wenn der bayerische Ministerpräsident sein „Mein Platz ist in Bayern“ noch nicht öffentlich dementiert hat. Ganz absehen von der Personalie Söder aber steht fest, dass seine Partei ihre bundespolitische Bedeutung herauskehren will, wo es nur geht. Die CSU sei „eine bayerische Partei, die immer um ihr bundespolitisches Gewicht wusste“, sagte Generalsekretär Markus Blume erst vor einer Woche im Interview mit unserer Redaktion. Sie wusste es immer. Aber vielleicht noch nie so gut wie jetzt. Klar ist: Die CSU steht so sehr im Fokus wie seit der - damals erfolglosen -  Kanzlerkandidatur Edmund Stoibers im Jahr 2002 nicht mehr. Doch die große Aufmerksamkeit stellt die CSU auch vor besondere Herausforderungen.

Bayern und Berlin - diese beiden politischen Spielfelder unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. Im Freistaat kann die CSU sich derzeit über Umfragewerte von satten 46 bis 48 Prozent freuen, in Vor-Corona-Zeiten lag die Zustimmung immerhin bei 36 bis 38 Prozent (Januar 2020). Parteiintern geht man davon aus, dass rund 25 Prozentpunkte davon zur klassisch-konservativen Stammwählerschaft gehören. Diese CSU-Anhänger sind der Partei traditionell verbunden. Sie identifizieren sich mit ihrer bayerischen Heimat, wünschen sich einen starken Staat und eine eher restriktive Linie in Fragen der Migration und Zuwanderung. Sie haben ein traditionelles Verständnis von Geschlechterrollen und Familie. Und sie wollen sich ihren Verbrenner nicht nehmen lassen - sei es, weil im Autoland Bayern viele Jobs an der alten Technologie hängen; sei es, weil in ländlichen Gegenden zu wenige Busse fahren und man aufs Auto angewiesen ist. Will die CSU diese - hier grob umrissene - Wählerschaft weiter an sich binden, muss sie ihre Wahlkampf-Strategie daran anpassen. Sie müsste eine strikt konservative Marschrichtung einschlagen.

Natürlich weiß man auch bei der CSU ganz genau, dass sich politische Prioritätensetzungen in der Bevölkerung ändern. In einer stark diversifizierten und individualisierten Gesellschaft verspricht eine traditionell konservative Politik auf Dauer keinen Erfolg. Anders gesagt: Je wichtiger die Buntheit der Gesellschaft wird, desto weniger funktioniert ein dunkel-schwarzer Kurs.

Das gewandelte Problembewusstsein zeigen auch Umfragen. Laut einer Langzeituntersuchung der Forschungsgruppe Wahlen, die Bürger nach den auf ihrer Sicht wichtigsten politischen Themen befragt, haben die Themen Umwelt, Klima und Energiewende alles andere überstrahlt. Das war in den Monaten vor der Pandemie, Corona hat momentan in der öffentlichen Wahrnehmung die höchste Priorität. Dennoch haben Ökologie und Nachhaltigkeit weiterhin eine hohe Dringlichkeit.

Nicht zufällig hat die CSU die Grünen zum politischen Hauptgegner erklärt - die Ökopartei rangiert im Bund zwischen 18 und 21 Prozent und damit klar auf Platz zwei. Und nicht zufällig lässt sich Markus Söder dabei ablichten, wenn er im Garten der Staatskanzlei in München Bäume umarmt. Ein guter Gradmesser für Strategie, die die Christsozialen verfolgen, ist auch die traditionelle Neujahrsklausur der CSU-Landesgruppe: Laut ihren diesjährigen Beschlüssen will sie etwa junge Väter dazu ermutigen, stärker als bisher die Elternzeit zu nutzen,und dafür einen Elterngeld-Bonus schaffen. Und sie will das Ehegattensplitting um ein sogenanntes Vorteils-Splitting ergänzen, um mehr steuerliche Gleichberechtigung zwischen Ehepartnern zu erzielen. All diese Aspekte zeigen: Die CSU will sich zunehmend neue Wählerschaften erschließen und auch ins progressive, grün-liberale Lager hineinwirken.

Und dann ist da noch die große Personalentscheidung der CDU, die auch an der CSU nicht spurlos vorbeigehen gehen wird. Auch wenn die Bayern mit ihrer bundespolitischen Bedeutung sehr selbstbewusst umgehen, hat die CDU-Wahl dennoch gravierende Auswirkungen: Bei einem kantig-konservativen Friedrich Merz wird die kleine Schwester CSU versuchen, sich als liberaleres Gegengewicht zu positionieren. Machen dagegen Armin Laschet oder Norbert Röttgen das Rennen, die beide eine liberalere Mitte-CDU verkörpern, wird die CSU ihre konservative Seite stärker herauskehren. Fest steht schon jetzt: Die Wahl an diesem Samstag ist für beide Unions-Schwestern ein historischer Einschnitt.

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