Corona-Pandemie Merkel lässt härtere Maßnahmen prüfen

Düsseldorf · Die Zahl der schwer erkrankten Corona-Patienten sinkt zwar, die der Toten ist dennoch so hoch wie nie. Die Kanzlerin will offenbar bereits kommende Woche mit den Ministerpräsidenten eine Verschärfung des Lockdowns diskutieren.

 Angela Merkel erwägt einen früheren Corona-Gipfel bereits kommende Woche.

Angela Merkel erwägt einen früheren Corona-Gipfel bereits kommende Woche.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will offenbar schon kommende Woche und nicht erst wie geplant am 25. Januar mit den Ministerpräsidenten der Länder über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten, wie die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf Teilnehmer einer CDU-Präsidiumssitzung am Donnerstagabend berichtet. Einen konkreten Termin nannte Merkel noch nicht. Die in Großbritannien aufgetauchte Variante des Virus verbreite sich viel schneller als die ursprüngliche Form, Wissenschaftler seien in großer Sorge, sagte Merkel demnach weiter.

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer rechnet mit Beratungen in der kommenden Woche. „Kindergärten komplett runterfahren, Schulen abschließen, wirklich Betretungsverbote in den Pflegeheimen, wenn kein negativer Schnelltest vorliegt – solche Dinge müssen wir besprechen“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung „maybrit illner“.

Zuvor hatten „Bild“ und „Spiegel“ berichtet, Merkel lasse eine Vorschlagsliste mit schärferen Corona-Maßnahmen prüfen, darunter Ausgangssperren sowie die Pflicht zum Arbeiten im Homeoffice und zum Tragen von FFP2-Masken in bestimmten Alltagssituationen nach dem Vorbild Bayerns. Berichte, wonach im Kanzleramt über die Einstellung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs nachgedacht werde, wies Merkel nach Angaben mehrerer Teilnehmer jedoch zurück.

Angesichts der neuen Höchstmarke an Corona-Todesfällen hatte sich am Donnerstag auch der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, für eine Verschärfung des Lockdowns ausgesprochen. Die Einschränkungen seien nicht weitreichend genug, es gebe zu viele Ausnahmen, sagte Wieler. Das RKI registrierte am Donnerstag 1244 Todesfälle und 25.164 Neuinfektionen.

Auf den Intensivstationen hat sich die Lage dagegen etwas entspannt, Kostenpflichtiger Inhalt wie der neue Präsident der Vereinigung der Intensiv- und Notfallmediziner (Divi), Gernot Marx, unserer Redaktion sagte. Die Zahl der belegten Betten auf den Intensivstationen sei zuletzt gesunken, so Marx: „Es sieht also so aus, als hätten wir den Höhepunkt bei den intensivpflichtigen Patienten überschritten.“

Was widersprüchlich klingt, liegt vor allem am langen Zeitraum zwischen Infektion und dem Auftreten schwerer Symptome. So dauert es in der Regel zehn Tage, bis ein Covid-19-Kranker bei schwerem Verlauf auf die Intensivstation verlegt wird. Divi-Präsident Marx schließt daraus, dass die befürchteten Anstiege wegen der Kontakte an Weihnachten und Silvester ausgeblieben sind. Er hoffe aber, dass die vor allem in Großbritannien und Südafrika verbreitete Mutation des Virus „uns keinen Strich durch die Rechnung macht“.

Die Corona-Varianten beunruhigen auch RKI-Chef Wieler. „Wer nicht unbedingt muss, sollte im Moment nicht verreisen“, sagte er mit Blick auf die starke Verbreitung der Varianten in anderen Ländern. Mit Stand Mittwoch stammten alle aktuell bekannten Nachweise dieser Mutationen in Deutschland von Reisenden. Bisher könne man noch nicht abschätzen, wie sich diese auf die Lage hierzulande auswirkten. „Sie könnten sich aber auch hier durchsetzen und zu noch mehr Fällen in kürzerer Zeit führen.“ Es bestehe die Möglichkeit, dass sich die Lage noch verschlimmere. Anhaltspunkte sprechen Wieler zufolge jedoch nicht dafür, dass die Varianten hierzulande bereits stark verbreitet seien. Aber auch in Deutschland soll jetzt mehr nach mutierten Coronaviren gesucht werden. Zurzeit müssten die Maßnahmen zur Kontaktreduktion „mit aller Konsequenz“ genutzt werden, um die Infektionszahlen zu drücken, mahnte Wieler. Danach müssten die Zahlen auf einem niedrigen Niveau gehalten werden – es gebe keinen anderen Weg.

Auch Berechnungen des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) deuten darauf hin, dass die Zahlen vorerst hoch bleiben werden. In einem sehr pessimistischen Szenario könnte sich die Corona-Pandemie noch über Monate mit hohen Fallzahlen hinziehen, sagte Sebastian Binder, der Vizechef der HZI-Abteilung, die für die Bundesregierung die Simulationsrechnungen vornimmt. Auch die neuen Varianten betrachte er mit „ernster Sorge“. Eine Lockerung schon im Februar wäre seiner Ansicht nach „verfrüht“. Divi-Präsident Marx rechnet, wenn mit der Impfung alles gut laufe, schon im dritten Quartal mit einer Entspannung. Bis dahin sei es wichtig, dass die Gesellschaft im Kampf gegen das Virus zusammenhalte.“

Mit Agenturmaterial.

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