Maßnahmen der Regierung Das öffentliche Leben wird lahmgelegt

Berlin/Düsseldorf · Bund und Länder haben drastische Maßnahmen verhängt, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen. Alle Geschäfte ohne Waren des täglichen Bedarfs müssen ebenso schließen wie Kneipen, Clubs, Kultur- und Sportstätten.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich mit den Regierungschefs der Bundesländer auf einschneidende Maßnahmen für das öffentliche Leben geeinigt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich mit den Regierungschefs der Bundesländer auf einschneidende Maßnahmen für das öffentliche Leben geeinigt.

Foto: AP/John MacDougal

Im Kampf gegen das Coronavirus müssen die Bürgerinnen und Bürger „in Kürze“ „einschneidende Maßnahmen“ hinnehmen, wie Bundeskanzlerin Merkel am Montagabend erklärte. Bund und Länder einigten sich, das öffentliche Leben weitgehend lahmzulegen. Nur noch Geschäfte, die den täglichen Bedarf decken wie Supermärkte, Drogerien, Getränkehändler und Apotheken dürfen noch Kundschaft empfangen.

„Es leitet uns, was uns, in der  Wissenschaft gesagt wird, nämlich, dass die wirksamste Maßnahme das Erhöhen der Distanz, also das verringern sozialer Kontakte ist“, begründete Merkel die drastischen Schritte. Wie lange die Maßnahmen andauern voraussichtlich andauern müssen, dazu äußerte sich Merkel nicht. Um die Versorgung der Bevölkerung sicher zu stellen, soll Merkel zufolge in den Geschäften, die ihre Türen noch offen halten dürfen, das Verkaufsverbot am Sonntag aufgehoben werden.

NRW hatte einen Teil der Maßnahmen, die Merkel am frühen Abend verkündete, bereits vormittags bekannt gegeben.  Öffentliche Versammlungen einschließlich Demonstrationen sind nur noch in Ausnahmefällen zugelassen. Einzig Wochenmärkte sind davon nicht betroffen, wie es in einem Erlass des NRW-Gesundheitsministeriums heißt. Zu Einkaufszentren, „Shoppingmalls“ oder „Factory Outlets“, die mehr als 15 einzelne Geschäftsbetriebe umfassen, ist der Zugang beschränkt: Der Aufenthalt ist nur noch zur Deckung des dringenden oder täglichen Bedarfs erlaubt. Restaurants und Bibliotheken bleiben zwar geöffnet, müssen aber Mindestabstände von zwei Metern zwischen den Tischen einhalten. Besucher müssen sich dort namentlich registrieren lassen. Nach den Vorgaben der Bundesregierung dürfen sie auch nur noch von 6 bis 18 Uhr geöffnet sein. Und Reiserückkehrer aus Risikogebieten dürfen 14 Tage lang Kitas, Schulen, Krankenhäuser oder Universitäten nicht mehr betreten.

„Das Tempo der Infektionen nimmt in NRW zu“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) zur Begründung. 4,7 Millionen Menschen in NRW seien älter als 65 Jahre und zählten zur Risikogruppe.

Anders als Bayern erklärte die Landesregierung am Montagmittag in NRW aber nicht den Katastrophenfall. Die ergriffenen Maßnahmen kämen auch so denen in Bayern schon sehr nah, sagte NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP). Es gebe auch die Möglichkeit, noch einiges nachzuschärfen. Wichtig sei, auf den Rat der Experten zu hören sowie ein abgestimmtes Vorgehen von Bund und Ländern. Der Minister richtete einen eindringlichen Appell an die Bevölkerung: „Wir brauchen die unbedingte Disziplin, alles zu tun, um soziale Kontakte zu vermeiden.“ Er habe den Eindruck, dass in Teilen der Bevölkerung noch nicht angekommen sei, worum es jetzt gehe: „Wir sind in einer sehr, sehr ernsten Lage.“ Dies sei eine der größten Herausforderungen, die es im Land jemals gegeben habe.

Geschlossen bleiben müssen alle Einrichtungen, die Freizeitaktivitäten, Sport, Spaß und Kultur bieten. Restaurants dürfen grundsätzlich nur noch zwischen 6 und 18 Uhr Gäste bewirten. Kneipen, Clubs und Discos bleiben gänzlich geschlossen. Auch Musik- und Volkshochschulen müssen ihren Betrieb einstellen. Selbst Kirchen, Moscheen und Synagogen wird es untersagt, ihre Gläubigen zu versammeln.

Während überall die Lichter ausgeschaltet werden müssen, herrscht in den Supermärkten Hochbetrieb. Trotz vieler leerer Regale in den Läden ist  die Warenversorgung in Deutschland nach Angaben der großen Handelsketten weiter gesichert. Die Händler suchen allerdings Helfer, die Regale einräumen können.

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, hat wegen der Coronakrise einen eigenen Rettungsfonds für die Kommunen gefordert. „Die kommunalen Steuereinnahmen wie etwa die Gewerbesteuer werden dramatisch einbrechen“, sagte Landsberg unserer Redaktion. „Die Kommunen werden auch angesichts der notwendigen Maßnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens eine Art Corona-Rettungsfonds benötigen“, betonte Landsberg. „Wir sind in Kulturstätten, Schwimmbädern und anderen Einrichtungen ja auch Arbeitgeber.“  Die Gehälter müssten weiterbezahlt werden, auch wenn der Betrieb nicht läuft und die Einnahmen ausblieben. Landsberg forderte, man müsse auch den Betreibern kleiner Unternehmen wie Restaurants und Cafés, die das Leben in einer Kommune ausmachten, helfen. „Man kann es ihnen nicht aufbürden, dass sie wie Großunternehmen bei der KfW Gelder beantragen. Sie brauchen unbürokratisch Kredite über die Kommunen.“

 Während das öffentliche Leben nun auch in Deutschland zum Erliegen kommt, wird bislang kein „Lockdown“ wie beispielsweise in Italien, Österreich oder Spanien verhängt. Der CDU-Innenexperte Armin Schuster rechnet allerdings damit, dass auch in Deutschland die Bundesländer nach und nach es den Bürgerinnen und Bürgern nur dann noch gestatten, ihr Haus oder ihre Wohnung zu verlassen, wenn sie Einkaufen, zur Arbeit oder zum Arzt gehen müssen.

Die Schutzmaßnahmen werden nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts frühestens Ende nächster Woche nachweisbare Effekte zeigen. "Man müsste nach zehn bis zwölf Tagen sehen, ob diese Maßnahmen greifen", sagte RKI-Vize-Präsident Lars Schaade.

(qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort