Schulschließungen in NRW Unterrichten in Zeiten des Coronavirus

Düsseldorf · Die Schulen haben als Maßnahme zur Eindämmung des neuen Coronavirus vorläufig geschlossen. Doch der Unterricht soll langfristig nicht ausfallen. Spätestens jetzt zeigt sich, inwieweit die Digitalisierung in den Klassenzimmern angekommen ist.

 Die Schulen in NRW schließen ab Montag bis zu den Osterferien.

Die Schulen in NRW schließen ab Montag bis zu den Osterferien.

Foto: dpa/Caroline Seidel

Der 16. März wird vermutlich in die Geschichte eingehen. Erstmals schließen in der Bundesrepublik die Schulen. Es gibt Coronaferien. Ein neuartiges Virus hat das öffentliche Leben in weiten Teilen lahmgelegt. Die Absage von Fußballspielen und zahlreichen Veranstaltungen erfolgte bereits in den vergangenen Wochen. Nun trifft es unsere Bildungseinrichtungen. Der Unterricht ruht bis nach den bald sowieso anstehenden Osterferien. Doch dass die Lage sich bis dahin deutlich verbessern wird, ist fraglich. Gut möglich also, dass der Unterricht auch über einen längeren Zeitraum nicht in den Schulgebäuden stattfinden kann.

Einfallsreichtum ist nun gefragt. Wie unterrichtet man Deutschlands Schüler im Homeoffice? Das Schulministerium empfiehlt bisher nur, Schüler in der Zeit zum Lernen zu Hause anzuhalten - mit Lektüre, Aufgabensätzen, Referaten. Hierzu sollten in der Schule vorhandene technische Infrastrukturen genutzt werden. Bloß: Die gibt es bei Weitem nicht flächendeckend. Einheitliche Konzepte für digitalen Unterricht schon gar nicht. Zwar gibt es in den Bundesländern teilweise Online-Plattformen wie das System „mebis“ in Bayern, die aber nicht für einen Ersatz von geschlossenen Schulen ausgelegt sind. Andere Projekte wie die digitale Bildungsplattform „Logineo“ in Nordrhein-Westfalen oder „ella“ in Baden-Württemberg gelten sogar als gescheitert.

„Ein vollständig digitaler Unterricht ist hierzulande leider noch nicht möglich“, sagt Andreas Bartsch, Präsident des Nordrhein-Westfälischen Lehrerverbands. Zwar besäßen viele Schüler mobile Endgeräte oder Computer, „doch es fehlt die entsprechende Infrastruktur“, mahnt Bartsch: „Die Umsetzung des Digitalpakts läuft im Schneckentempo!“

Der Digitalpakt Schule war nach langen Streitereien zwischen Bund und Ländern im Mai vergangenen Jahres in Kraft getreten. Normalerweise sind die Länder für ihre Schulen verantwortlich. Der Bund darf nicht hineinreden. Bis 2024 stellt der Bund nun aber mit dem Pakt fünf Milliarden Euro für die Digitalisierung von Deutschlands Schulen bereit. Hinzu kommt ein Eigenanteil der Länder von 555 Millionen Euro. Dem Bundesbildungsministerium zufolge versteht sich der Digitalpakt eindeutig als Infrastrukturprogramm und nicht als Förderprogramm für Endgeräte. Die Schulträger können beim jeweiligen Land Fördermittel beantragen.

Eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom ergab am Freitag allerdings, dass bislang erst zwölf Bundesländer Förderanträge bewilligt haben. Mit Abstand die größte Summe entfällt auf Hamburg, wo Anträge der Schulen mit einem Volumen von insgesamt 116,1 Millionen Euro bewilligt wurden. Dahinter folgen Sachsen (15,2 Millionen Euro), Bayern (9,0 Millionen Euro), Baden-Württemberg (3,8 Millionen Euro), Thüringen (3,1 Millionen Euro), Berlin (2,1 Millionen Euro) und Bremen (1,5 Millionen Euro). Die übrigen Bundesländer machten keine Angaben zum abgerufenen Fördervolumen, darunter auch NRW.

Die Ausstattung der Schulen ist hierzulande höchst unterschiedlich. Dass vielerorts Mittel nicht abgerufen werden, sieht Andreas Bartsch immer wieder: „Ich kenne Schulen, bei denen iPads im Schrank rumliegen, im Gebäude aber nicht einmal W-Lan zur Verfügung steht. Die Kommunen sind hier jetzt gefordert. Sie müssen die Investitionen anstoßen. Doch bisher lief das sehr zaghaft.“ Bitkom-Präsident Achim Berg meint: „Die allermeisten deutschen Schulen gehören nicht zu den Vorreitern, sondern zu den Nachzüglern in Sachen digitale Bildung, und das müssen wir schnellstmöglich ändern.“

Der Traum vom digitalen Klassenzimmer, er ist bei uns noch in weiter Ferne. In Österreich hat man ihn dagegen schon einmal geträumt. Vor zwei Jahren gründete in Wien Felix Ohswald die Online-Lernplattform GoStudent. Zertifizierte Lehrer unterrichten über die Website ihre Schüler rund um die Welt. Nicht nur im Einzelunterricht per Videoschalte, auch als Klasse. „Digitale Bildung funktioniert nicht nur über das Hin- und Herschicken von Links und Bücherlisten. Das schaut sich eh keiner an“, sagt Ohswald: „Jeder Schüler findet eigentlich alle Inhalte online. Es geht um den Lehrer, der mit den Schülern interagieren muss. Das macht Unterricht aus.“ Sein Angebot legt der 24-jährige Unternehmensgründer auch den Lehrern in NRW nahe. „Lehrer, die jetzt zum Beispiel aufgrund der Schulschließungen zu Hause bleiben müssen beziehungsweise keine physische Klasse mehr vor sich haben, könnten kostenlos auf unsere Infrastruktur bei GoStudent zurückgreifen.“ Der Unterricht könne dann vollständig digital stattfinden.

Deutschlands Marktführer in Sachen Prüfungsvorbereitung, der Münchener Stark-Verlag, bietet aufgrund der Schulschließungen Schülern und Lehrern die Premium-Version der Lernapp StudySmarter derzeit kostenlos an. Die App hilft dabei, Zusammenfassungen und Karteikarten für Vorlesungen zu erstellen und bietet Lernpläne und Statistiken über den Lernfortschritt. „StudySmarter bietet die Möglichkeit, dass sich ganze Klassen in Lerngruppen zusammenschließen, über die Plattform kommunizieren und in Austausch bleiben“, heißt es in einer Mitteilung des Stark-Verlags.

Lernen in Zeiten des Virus. Für Felix Ohswald steht fest: „Die Krise hat massive Auswirkung auf das Bildungssystem. Sie bietet aber auch eine Chance, das größte Experiment im Online-Unterricht durchzuführen.“ Es sei feige, den Unterricht ausfallen zu lassen. Und Andreas Bartsch meint: „Vielleicht wird durch die Corona-Krise jetzt gezwungenermaßen vieles besser.

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