CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak Krisenmanager ohne Jobgarantie

Berlin · Die CDU hat kurz vor der Wahl des Vorsitzenden ihren Kompass verloren. Lösen soll die Probleme ausgerechnet derjenige, der kurz nach der Abstimmung seinen Job verlieren könnte.

 CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Foto: Christophe Gateau/dpa

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Foto: Christophe Gateau/dpa

Foto: dpa/Christophe Gateau

Ab und an greift Paul Ziemiak zum Rechen. Blätter auf einen Haufen kehren. Das beruhigt in stressigen Zeiten.  Der CDU-Generalsekretär aus Iserlohn braucht gerade gute Nerven. Dem 35-Jährige obliegt gerade die Aufgabe, die Wahl zum CDU-Vorsitzenden zu organisieren und nebenbei einen Bundestagswahlkampf zu orchestrieren. Und das alles mit einer Chefin auf Abruf und ohne Garantie, dass er seinen Job in zwei Monaten noch innen hat.

Besuch im Adenauer-Haus: Im geräumigen Büro ist auf dem Schreibtisch digitales Gerät für Videokonferenzen installiert – daneben liegen Bücher. Gerade hat er Schülern aus dem Roman „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ vorgelesen, anlässlich des bundesweiten Vorlesetags. Ziemiak hat selbst zwei Kinder, seine Frau ist Apothekerin. Die Familie ist ihm wichtig.

Familiär geht es bei seinem Arbeitgeber, der CDU Deutschlands, gerade nicht zu.  Dabei liegt die Union seit Beginn der Krise in Umfragen stabil bei gut über 35 Prozent. Doch im Adenauerhaus weiß man, dass der Grund dafür eher im Kanzleramt als in der Parteizentrale zu suchen ist. Und die politische Zeit von Kanzlerin Angela Merkel sich ihrem Ende zuneigt.

Ziemiak ist sich im Klaren darüber, dass seine Partei gerade eine schwere Zeit durchmacht. Die offene Frage, wer künftig Vorsitzender wird, schwelt und schwelt – und vergiftet die Atmosphäre. Zwischen den drei Kandidaten, aber auch innerhalb der Partei.  Ziemiak muss die Wahl organisieren. Es sind sehr viele technische und juristische Fragen zu klären. Die Absage des Präsenzparteitags im Dezember brachte viel böses Blut, führte zum Disput zwischen den Kandidaten Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen.  Merz beschwerte sich bitter über ein „Partei-Establishment“, das ihm seine Chancen raube.

Es war Ziemiak, der am Ende die Kandidaten an einen Tisch brachte und eine – zumindest vorübergehende – Lösung fand. „Im Wettbewerb der Kandidaten sehe ich mich durchaus als Mittler. Mir ist daran gelegen, dass jeder Kandidat sich vom Adenauerhaus gut und fair vertreten und behandelt fühlt. Die Herausforderung in diesem Corona-Jahr ist, ohne einen Präsenzparteitag die Wahl rechtssicher zu gestalten“, sagt er.

Ein digitaler Parteitag mit Online-Abstimmung und Bekräftigung des Siegers per Briefwahl, so lautet die derzeitige Idee.  Am Montag soll der Parteivorstand endgültig darüber entscheiden. Mittlerweile geht man in der CDU aber davon aus, dass gewählt wird.

Und dann? Für Ziemiak geht es auch um seine berufliche Zukunft. Laschet ist mit ihm zufrieden, würde ihn im Amt belassen. Röttgen auch. Merz hält sich bedeckt, hatte eigentlich eine eigene Generalsekretärin angekündigt. Es wäre ein ehrgeiziges Unterfangen, in den Vorbereitungen für den Bundestagswahlkampf nochmal den Hauptmanager auszutauschen.

Belastet ihn das? „Ich komme gerade gar nicht dazu, mir Gedanken über meine persönliche Zukunft zu machen.“ Einen Bundestagswahlkampf zu organisieren sei eine Herausforderung, „die ich mit viel Leidenschaft, aber auch Disziplin angegangen bin“. Heißt,  er würde das Projekt auch gerne zu Ende bringen.

Ziemiak hat sich in den vergangenen Monaten viel Respekt unter Parteifreunden erarbeitet. Die Wertschätzung wurde ihm auch im eigenen NRW-Landesverband nicht immer entgegengebracht. Der Start 2018 war ziemlich holprig. „Der Anfang im Adenauerhaus war sehr herausfordernd. Die Europawahl stand vor der Tür, die genaue Aufgabenverteilung musste überhaupt erst geklärt werden. Da ist vieles nicht rund gelaufen.“ In diese Zeit fiel das Debakel mit dem Youtuber Rezo. Auf dessen Video „Die Zerstörung der CDU“ fand man keine passende Antwort, ein Debakel in den sozialen Medien folgte. Die Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer machte medial keine gute Figur. „Aber ich habe das Lehrgeld bezahlt, wir haben seither viel erreicht und unsere Kommunikation komplett umgebaut“, erklärt er rückblickend.

AKK warf Anfang des Jahres nach dem Debakel um die Wahl in Thüringen entnervt hin, seither ist Ziemiak mehr denn je am Ruder. Zuletzt sprang der ehemalige Chef der Jungen Union (JU) in die Bresche als in Sachsen-Anhalt ein Ende der Kenia-Koalition im Streit um den Rundfunkbeitrag drohte. Er versuchte mit einem Gastbeitrag den Spagat, einerseits die Angriffe der SPD auf die Union abzuwehren und anderseits eine klare Abgrenzung zur AfD zu ziehen. Nicht alle hielten dies für gelungen, aber so formuliert es einer: „Der Paul duckt sie nicht weg.“ Dass der Koalitionsbruch in Magdeburg nun vorerst vom Tisch zu sein scheint – eine Erleichterung auch für den Generalsekretär in Berlin. Die Blicke richten sich jetzt auf die Gremiensitzungen am Montag. Für die CDU könnte es noch ein turbulentes Jahresende werden.

Was war für ihn persönlich prägend in diesem Corona-Jahr? Ziemiak lacht: „Es war für mich persönlich mit Blick auf meine Familie auch eine Zeit der Entschleunigung.“ Spricht’s und eilt zum nächsten Termin. Die Entschleunigung - sie ist lange vorbei.

(mün)
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