„Goldwaage“ Aufwacher-Spezial Migration – ein zu einseitig behandeltes Thema

Zuwanderung wird in Deutschland oft in einem Atemzug mit Flüchtlingen genannt. Zugleich ist der Arbeitsmarkt in hohem Maße auf Personal aus dem Ausland angewiesen. Die CDU will beides besser ordnen.

 Eine junge Frau aus Guinea absolviert in Deutschland eine Ausbildung im E-Schweißen.

Eine junge Frau aus Guinea absolviert in Deutschland eine Ausbildung im E-Schweißen.

Foto: dpa/Ingo Wagner

Im Wahljahr wollen die Bürger wissen, woran sie sind. Deshalb suchen wir uns die wichtigsten Aussagen der Parteien heraus und legen sie auf die Goldwaage: Wie realistisch ist das Programm, was bedeutet es für die Menschen? Darüber diskutieren wir mit Machern, Kritikern und Experten. Das Ergebnis können sie jeden Samstag bei uns im Aufwacher-Podcast als Spezialfolge hören und als Zusammenfassung in der Zeitung sowie online nachlesen.

Die These Ungeregelte oder gar illegale Einwanderung, Integration und Ausbildung von Tausenden Flüchtlingen, eine faire Verteilung von Schutzbedürftigen in Europa und die gezielte Anwerbung von Fachkräften, die hierzulande fehlen, bilden die großen Problemfelder der Migrationspolitik. „Migration ist nur dann eine Chance, wenn sie geordnet erfolgt und sich an klaren Regeln orientiert. Eine Zuwanderung in die Sozialsysteme lehnen wir ab“, heißt es dazu im Parteiprogramm der CDU. Und: „Wir brauchen gemeinsame Standards im europäischen Asylrecht und eine europaweite Harmonisierung der Aufnahmebedingungen.“

Der Plan Einheitliche Einreisezentren der EU an deren Außengrenzen zur Feststellung der Schutzbedürftigkeit von Migranten und weiteren Verteilung der Berechtigten könnten nach Ansicht von Nina Warken den Druck auf Staaten wie Griechenland deutlich mindern. Die 42-jährige Integrationsbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag lehnt eine Ausweitung des Familiennachzugs von Flüchtlingen, in deren Herkunftsland Krieg, Terror oder Naturkatastrophen herrschen, über die derzeit geltende Obergrenze von monatlich 1000 Angehörigen ab. „Eigentlich ist geplant, dass dieses subsidiär Schutzbedürftigen irgendwann in ihre Heimat zurückkehren, erklärt die CDU-Politikerin. Aktuell gelte es, bedrohten Menschen aus Afghanistan zu helfen – „aber das kann nicht allein Aufgabe der Bundesrepublik sein“, betont Warken.

Die Gegenrede Auch die SPD spricht sich für die Schaffung einer einheitlichen europäischen Asylagentur für schnellere Anerkennungsverfahren aus. Aber es gehe um mehr, sagt Lars Castellucci, Sprecher für Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion: Auch die Fluchtursachen müssten stärker bekämpft werden. Im Gegensatz zur Union wolle die SPD Menschen mit subsidiärem Flüchtlingsstatus beim Familiennachzug mit anerkannten Asylbewerbern gleichstellen. „Familien gehören zusammen“, findet der 47-Jährige. Trotz aller Fortschritte bei der Integration in den vergangenen Jahren fehle es noch zu sehr an Möglichkeiten, wo sie Menschen wirklich begegnen könnten. Der CDU wirft Castellucci vor, eine großzügige Regelung der Altfälle zu blockieren. Es gehe nicht an, seit Jahren gut integrierte Flüchtlinge mit Job nur deshalb abzuschieben, weil sie kein Aufenthaltsrecht hätten, während allenthalben dringend Arbeitskräfte gesucht würden.

Die Einordnung Bei den migrationspolitischen Vorstellungen von Union und SPD macht Jana Wolf mehr Streitpunkte als Gemeinsamkeiten aus: Während bei der Union im Hinblick auf den Zuzug von Migranten ein Law-and-Order-Ton durchschlage, strebe etwa die SPD die Förderung der Aufnahmebereitschaft von Städten und Gemeinden an, analysiert die Berliner Korrespondentin der Rheinischen Post. Wo die Union auf sichere Herkunftsländer setzte, lehne die SPD im Zweifel die zwangsweise Rückführung von Geflüchteten ab. Die Mahnung der CDU mit Blick auf Afghanistan, das Flüchtlingsdrama von 2015 dürfe sich nicht wiederholen, hält Jana Wolf für unbegründet, da heute wichtige Fluchtrouten versperrt seien. Insgesamt bestimme der Flüchtlingsaspekt das wichtige Thema Migration in den Wahlprogrammen viel zu stark. „Die positiven Seiten werden vernachlässigt und am Ende auch zu wenig genutzt.“ Deutschlands alternde Gesellschaft habe Arbeits- und Bildungsmigration dringend nötig.

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