Haushaltsgespräche Ohne Hilfe des Chefs geht’s nicht

Meinung | Berlin · Der Kanzler muss dem Finanzminister bei den Haushaltsverhandlungen zur Seite springen. Scholz und Lindner knöpfen sich sparunwillige, renitente Minister nun gemeinsam in Dreiergesprächen vor.

 Christian Lindner und sein Vorgänger im Amt, Bundeskanzler Olaf Scholz (Archivbild).

Christian Lindner und sein Vorgänger im Amt, Bundeskanzler Olaf Scholz (Archivbild).

Foto: AFP/JOHN MACDOUGALL

In der Ampel-Koalition scheint eineinhalb Jahre nach ihrem Start nur noch eines klar zu sein: Man traut sich nicht mehr über den Weg. Der Bundeskanzler muss dem Finanzminister persönlich dabei helfen, einen ausgeglichenen Haushalt für das kommende Jahr aufzustellen. Ein beispielloser Vorgang. Die Autorität des FDP-Chefs reicht nicht aus, um sparunwillige Minister zu disziplinieren. Lindner ruft daher den Kanzler zur Hilfe, obwohl das seiner eigenen Reputation am meisten schadet. Selbst aus den eigenen Reihen gibt es einen Kollegen, Verkehrsminister Wissing (FDP), der sich nicht an Lindners Sparvorgaben halten will. Scholz und Lindner knöpfen sich in diesen Tagen neben Wissing auch die grünen Ministerinnen Paus (Familie) und Baerbock (Außen) sowie die SPD-Kollegen Faeser (Innen) und Pistorius (Verteidigung) in Dreiergesprächen vor. Wenn der Lehrer nicht mehr durchkommt bei den Schülern, geht er zum Direktor.

Neben Lindner erleidet auch der Kanzler durch diesen Vorgang einen Rufschaden. Weil er eine Regierungskoalition anführt, die sich trotz klarer Verabredungen im Koalitionsvertrag einfach nicht mehr einig werden kann. Immer mehr Beobachter beginnen, an der Regierungsfähigkeit der Ampel zu zweifeln und die Opposition hat leichtes Spiel. In Umfragen hat die Koalition keine Mehrheit mehr.

Vizekanzler Habeck wiederum hat das Problem, dass seine Grünen beginnen zu meutern. Wirtschaftsschwäche, klimaneutraler Umbau, die Gefahr von Rechts – viele Grüne halten es schlicht für falsch, in dieser Situation die Schuldenbremse einhalten zu müssen, die Steuern für Reiche nicht anzuheben und den Rotstift anzusetzen. Der Pragmatiker Habeck geht da häufig zum Ärger mancher Parteifreunde andere Wege. Er hat den Sparvorgaben Lindners für die Ressorts ebenso zugestimmt, wie jetzt den Dreiergesprächen mit dem Kanzler. Dass Scholz eingreifen muss, hat auch viel mit Habecks fehlender Durchsetzungskraft bei den Grünen zu tun.

Allerdings geht es ohne die Grünen eben auch nicht, sie sind immerhin der zweitgrößte Koalitionspartner. Mit den Sparvorgaben Lindners ist die grüne Partei insgesamt mehrheitlich nicht einverstanden. Lindner muss den Grünen also entgegenkommen.

In der Sache sollte sich die Koalition nun endlich und sehr rasch bis zur parlamentarischen Sommerpause auf einen ausgeglichenen Haushalt einigen. Das Machtspiel der Parteien muss beendet werden. Fünf Milliarden Euro in einem Gesamtbudget von über 400 Milliarden Euro zu streichen, sollte auch in schwierigen Zeiten möglich sein. Hinzukommen muss der Abbau von Subventionen, vor allem jener Steuervergünstigungen, die der Umwelt und dem Klima schaden. Hier sollten sich die FDP und Lindner beweglicher zeigen. Es ist absurd, wenn der Fiskus große Autos mit Verbrennermotoren über die Pendlerpauschale oder Dienstwagen-Steuervorteile einerseits weiter fördert, sie andererseits aber durch den Anstieg des CO2-Preises unattraktiver machen will. Wenn der Kanzler bei diesem Abstimmungsprozess moderiert, hat es hoffentlich ein Gutes: Man kommt endlich voran.

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